CDU im Richtungskampf - Ein Kartell gegen zwei Solokämpfer Von Jörg Blank und Ruppert Mayr, dpa

Kann sich die CDU mit einer neuen Spitze berappeln - oder geht es
noch tiefer in den Abgrund? Die Auftritte der wichtigsten Kandidaten
klingen jedenfalls nicht sonderlich versöhnlich.

Berlin (dpa) - Es wird ein dramatischer Richtungskampf um die Macht
in der CDU, soviel ist klar. Achteinhalb Wochen lang haben das Tandem
Laschet/Spahn sowie die Solo-Kontrahenten Merz und Röttgen noch Zeit
bis zum Sonderparteitag am 25. April, bei dem in Berlin der neue
CDU-Chef gewählt wird. Seit Dienstag ist auch deutlich: Es wird eine
Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der Union bei der nächsten
Bundestagswahl. Kaum zu erwarten, dass sich die beiden machtbewussten
Kandidaten Armin Laschet oder Friedrich Merz die Spitzenkandidatur
von CSU-Chef Markus Söder abnehmen lassen.

Interessant sind die Konstellationen, in denen die verschiedenen
Seiten ins Rennen gehen. Im Team Laschet/Spahn dürfte der
NRW-Ministerpräsident auf die Anhänger des Merkel-Kurses einer eher
Mitte-Links orientierten CDU zielen. Der als eher konservativ
geltende Gesundheitsminister Jens Spahn dagegen auf die Jungen in der
Partei und auf jene, die sich im politischen Spektrum eher
Mitte-Rechts verorten. Nicht unwichtig: Spahn gilt als Freund von
Söder, der bei der Kanzlerkandidatur immerhin ein gewichtiges
Wörtchen mitreden will. Und der Bayer, soviel ist zuletzt klar
geworden, hat nicht viel übrig für Merz.

Für Merz und Ex-Umweltminister Norbert Röttgen dürfte es nicht
einfach sein, ein solch breites Spektrum zu erreichen, glauben
Strategen in der Partei: Der Sauerländer Merz gilt als konservativer
Wirtschaftsliberaler, der Rheinländer Röttgen als
liberal-konservativ.

Doch auf allen Kandidaten lastet immenser Druck: Es geht um die
Frage, ob die Union das Kanzleramt nach der Ära von Angela Merkel
verteidigen kann - oder ob sie Juniorpartner unter den Grünen wird
oder gar in die Opposition muss.

Der Tag, der den Start in den Kandidaten-Marathon markiert, beginnt
mit einem Überraschungscoup. Um 8.07 Uhr verschickt die
Bundespressekonferenz eine Einladung für 9.30 Uhr: «Laschet und BM
Spahn: Zur Zukunft der CDU Deutschlands». Schnell ist klar: Die
beiden haben sich auf eine Mini-Teamlösung geeinigt, die auf größerer

Ebene mit Merz nicht möglich war. Laschet und Spahn schieben sich an
diesem Tag schonmal zeitlich vor Merz. Bereits am Montagabend war
durchgesickert, dass Merz um 11.00 Uhr am gleichen Ort seine
Vorsitzendenkandidatur verkünden wird.

Laschet hatte seit dem angekündigten Rückzug von CDU-Chefin Annegret
Kramp-Karrenbauer vehement für eine Teamlösung mit Merz geworben,
manche warfen ihm schon Zögerlichkeit vor. Noch am Montagmorgen
versucht AKK bei einem Sondertreffen mit Laschet und ihren anderen
Stellvertretern, Merz doch noch für eine «Formationslösung» zu
gewinnen. Die Angst vor einer weiteren Spaltung der Partei ist groß.
AKK soll Merz mit der Frage angerufen haben, ob es sich lohne, mit
ihm über einen Wechsel ins Kabinett Merkel zu reden. Doch dieser habe
nur geantwortet, vor einem Jahr hätte er darüber nachgedacht. Nun sei
es für einen solchen Schritt zu spät, erinnern sich Eingeweihte.

Der 59-jährige Laschet wirkt angespannt, als er sich dann an der
Seite Spahns den Hauptstadtjournalisten stellt. Er wolle einige
Gedanken zur Zukunft der CDU vortragen, sagt Laschet kurz - und
überlässt dann zunächst dem viel Jüngeren das Wort. Es geht ums
Teamplay, soll das wohl heißen.

«Wir befinden uns als CDU (...) in der größten Krise unserer
Geschichte - einer Krise des Vertrauens, des Zusammenhalts und der
Zuversicht», beginnt Spahn. Die CDU riskiere ihre Zukunft als
Volkspartei, wenn sie weitermache wie bisher. Dann listet der
39-Jährige drei Themen auf, die als internes Wahlprogramm verstanden
werden können. Es gehe um einen funktionieren Staat, der Vertrauen in
Demokratie und Rechtsstaat schaffe. «Man kann gleichzeitig für
Grenzschutz und für Klimaschutz sein», sagt Spahn. Es gehe um ein
«Update für die soziale Marktwirtschaft», um den Wohlstand zu
bewahren, und einen «weltoffenen Patriotismus», der «Heimat, Familie,

Tradition wertschätzt». Es sind Signale an die CDU-Konservativen.

Laschet arbeitet sich dann durch die wichtigsten Themenfelder, liest
beim Auftaktstatement viel vom Manuskript ab - nur kein Patzer, mag
er sich denken. Die Ängste der Menschen erwähnt er, beschwört
Zusammenhalt der Gesellschaft. Auch die Weltpolitik streift Laschet,
China, die USA, den Brexit, die Lage in Syrien. Er kann auch
internationale Politik, will der NRW-Regierungschef damit wohl zeigen
- wie es von einem künftigen Kanzler erwartet wird.

Immer wieder grenzt sich Laschet von Merz ab. «Wir können und müssen

unsere Partei und unser Land wieder zusammenführen», sagt er - und
bedauert, «dass nicht alle Kandidaten sich diesem Teamgedanken
anschließen konnten». Merz habe «gesagt, er will die AfD halbieren»
.
Das sei zwar wünschenswert. «Aber der Wettbewerb findet auch in die
Mitte hinein statt», ätzt Laschet. Bei der Hamburg-Wahl habe die CDU
Stimmen vor allem an die SPD und die Grünen verloren. Laschet will
wohl zeigen: Ich kann nicht nur Versöhnen, ich kann auch Attacke.

Als das Tandem Laschet/Spahn nach fast eineinhalb Stunden die Bühne
räumt - Spahn muss später nach Rom zum Treffen mit EU-Amtskollegen im
Kampf gegen das neuartige Coronavirus - gibt es keine Begegnung mit
Merz. Und das, obwohl dieser nicht einmal eine Minute, nachdem die
beiden in einer Limousine abfahren, zu Fuß zur Pressekonferenz kommt.

Von einer «Richtungsentscheidung für die CDU» spricht Merz, von
aufgewühlten und polarisierten Zeiten. Er wolle keinen Bruch mit der
Vergangenheit, beteuert er, ohne die Kanzlerin beim Namen zu nennen.
Es gehe um einen Aufbruch in die Zukunft. Einen neuen
Generationenvertrag kündigt der Kandidat an - gut möglich, dass er
auf breite Unterstützung vom CDU-Nachwuchs hofft, der Jungen Union.
Doch schwierig für ihn: Auch Spahn gilt als JU-Liebling.

Ob er sich als Verlierer zurückziehen werde, so wie nach seiner
knappen Niederlage gegen AKK 2018, wollen die Fragesteller von Merz
wissen. «Ich spiele hier auf Sieg, und nicht auf Platz», gibt er
knapp zurück - das lässt Interpretationsspielraum offen. Laschets
Schachzug, Spahn als Stellvertreter im Parteivorsitz vorzuschlagen,
falls er selbst CDU-Chef wird, kommentiert der Wirtschaftsexperte
Merz nur ironisch: «Im richtigen Leben würde man vielleicht von einer
Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs sprechen.»

Wie auch immer sich die 1001 Delegierten am 25. April entscheiden: Ob
die Spaltung in der CDU, die AKK auch zum Verhängnis geworden ist,
nach dem Parteitag kleiner oder sogar noch größer wird, ist
unabsehbar. Erst auf dem regulären Parteitag Anfang Dezember soll die
weitere Parteispitze neu gewählt werden. Dann dürfte sich abzeichnen,
welches Lager tatsächlich die Macht in der Partei hat.

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