Merz prescht vor - Rufe nach einvernehmlicher Lösung bei CDU-Personal Von Jörg Blank, dpa

CDU im Überlebenskampf: Kommende Woche will Noch-Parteichefin
Kramp-Karrenbauer Gespräche über ihre Nachfolge führen. Doch das
Schaulaufen der Kandidaten hat schon begonnen.

Berlin (dpa) - Nach dem Vorpreschen von Ex-Unionsfraktionschef
Friedrich Merz in der Debatte um CDU-Parteivorsitz und
Kanzlerkandidatur werden die Rufe nach einer einvernehmlichen Lösung
lauter. Gesundheitsminister Jens Spahn, einer der möglichen
Kandidaten, sagte dem «Spiegel»: «Wir brauchen eine integrative
Figur, jemand, dessen Kandidatur die Partei nicht spaltet, sondern
eint. Es geht um die Existenz der CDU.» Saar-Ministerpräsident Tobias
Hans (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Es kann jetzt nur
miteinander und in Geschlossenheit gehen.»

Mit Spannung wurde ein Auftritt des nordrhein-westfälischen
Ministerpräsidenten Armin Laschet bei einer Veranstaltung der
hessischen CDU in Kelkheim am Freitagabend (19.00 Uhr) erwartet. Auch
Hessens Regierungschef Volker Bouffier wollte dort auftreten. Beide
sind Mitglieder des CDU-Bundespräsidiums, des engesten
Führungszirkels der Partei um die Vorsitzende Annegret
Kramp-Karrenbauer. Laschet gilt neben Merz und Spahn als einer der
drei aussichtsreichen Kandidaten für die Nachfolge von
Kramp-Karrenbauer, die am Montag ihren Rückzug angekündigt hatte.

Laschet und Spahn haben bisher offen gelassen, ob sie tatsächlich für
den CDU-Vorsitz kandidieren würden. Auch Merz hat eine definitive
Festlegung in der Öffentlichkeit vermieden, aus seinem engsten Umfeld
heißt es aber, er sei zu einer Kandidatur entschlossen.

Der saarländische CDU-Chef Hans sieht die Führungsdebatte als Teil
eines politischen Überlebenskampfes: «Es geht um das Überleben der
CDU als Volkspartei der Mitte und darum, verloren gegangenes
Vertrauen zurückzugewinnen.» In der aktuellen Diskussion gehe es «um

weit mehr als um Personalfragen». Er betonte: «Unser Ziel muss es
doch sein, jemanden zu präsentieren, hinter dem sich die gesamte
Union versammeln kann.» Die CDU brauche «ein gesteuertes Verfahren
für die Neuaufstellung des Parteivorsitzes und der
Kanzlerkandidatur».

Kramp-Karrenbauer will kommende Woche Gespräche mit Interessenten für
den Parteivorsitz führen. In der CDU-Zentrale wird sondiert, ob ein
Wahlparteitag im April, Mai oder Juni möglich wäre. Dafür ist ein
Beschluss des Vorstands nötig. Der reguläre Wahlparteitag ist für die

erste Dezemberwoche in Stuttgart terminiert. Dort soll das neue
Grundsatzprogramm der CDU beschlossen werden.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält es für
möglich, dass ein Nachfolger von AKK nicht schon vor der Sommerpause
gewählt wird. «Ich würde den Parteitag im Herbst so organisieren,
dass dort eine Wahl für den Parteivorsitz stattfindet. Im Anschluss
wird dann mit der CSU über die Kanzlerkandidatur beraten», sagte er
«Focus Online». Das sei mit großer Wahrscheinlichkeit dann der
CDU-Chef. Kramp-Karrenbauer werde den Übergangsprozess organisieren
und dazu am 24. Februar einen Vorschlag machen - am Rosenmontag ist
die nächste Sitzung des CDU-Präsidiums geplant.

Merz hatte am Donnerstagabend indirekt seine Bereitschaft für eine
Kandidatur zum Parteivorsitz angekündigt. Bei einem Mittelstandsforum
in Berlin antwortete er nicht direkt auf die Nachfrage, ob er für
Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur antrete. Die Union brauche einen
«Aufbruch nach vorne», sagte er. In Umfragen liege die CDU bei 22
Prozent, das Potenzial liege bei 35 plus x. Dieses müsse man nun
gemeinsam ausschöpfen. Er sei dazu bereit, seinen Beitrag zu leisten.
Die Entscheidung treffe am Ende aber ein Bundesparteitag.

Der Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrates erklärte, er rechne mit
einer Entscheidung über die Personalfragen wahrscheinlich bis zur
Sommerpause. Kommende Woche werde er mit Kramp-Karrenbauer über das
weitere Vorgehen sprechen.

Bei dem Mittelstandsforum hielten viele junge Männer vom
Unionsnachwuchs Schilder hoch, auf denen «Ein Herz für Merz» oder
«Kanzler Merz» stand. Gleich zu Beginn baute der 64-Jährige eine
indirekte Spitze gegen Kramp-Karrenbauer und seine alte Rivalin,
Kanzlerin Angela Merkel, ein.

Der 10. Februar - der Tag, an dem Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug
angekündigt hatte - werde in die Geschichte der Bundesrepublik
eingehen «als ein Tag des Sturms» - nicht nur draußen, sondern auch
drinnen, sagte Merz. Er ergänzte: «Es ist übrigens reiner Zufall,
dass Tiefs im Augenblick Frauennamen haben». Das Publikum reagierte
mit Gelächter, Merz fuhr fort: «Das wechselt jedes Jahr. (...) Das
lässt keine politischen Assoziationen zu.» Es folgte wieder
Gelächter. «In diesem Jahr heißen die Hochs nach Männern. In
alphabetischer Reihenfolge. Und die Tiefdruckgebiete nach
Frauennamen. (...) Die schlechte Nachricht für alle Männer ist: Im
nächsten Jahr ist es umgekehrt.»

Laut einer aktuellen Umfrage ist Merz derzeit der aussichtsreichste
potenzielle Kanzlerkandidat der Union. 40 Prozent der Befragten sind
nach dem ARD-«Deutschlandtrend» von Infratest dimap der Meinung, dass
der 64-Jährige ein guter Kanzlerkandidat wäre. Allerdings sind auch
42 Prozent der gegenteiligen Auffassung. Bayerns Ministerpräsidenten
und CSU-Chef Markus Söder sehen 31 Prozent als geeigneten
Kanzlerkandidaten. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet kommt auf 30
Prozent. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält jeder Vierte (24
Prozent) für einen guten Kanzlerkandidaten.