Weniger Straftaten wegen sexueller Orientierung als vor Jahren

Viele Prominente haben sich in den vergangenen Jahren öffentlich zu
ihrer sexuellen Orientierung geäußert. Schwule und Lesben stoßen
heute auf mehr Toleranz als früher. Doch noch immer gibt es Gewalt
gegen sie.

Potsdam (dpa/bb) - Die in Brandenburg begangenen Straftaten gegen
Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung sind in den vergangenen
Jahren nach Angaben von Experten zurückgegangen. Laut dem Potsdamer
Beratungs- und Gewaltpräventionsprojekt Katte nahm die Zahl
dieser Delikte von etwa 40 vor zehn Jahren auf 20 im vergangenen Jahr
ab. Hauptgrund sei eine größere Toleranz in der Gesellschaft für
andere Lebensweisen, sagte der für den Verein tätige Sozialarbeiter
Carsten Bock der Deutschen Presse-Agentur.

Der 2003 gegründete Verein gilt als Brandenburgs einzige umfassende
Beratungsstelle für Menschen mit einer anderen sexuellen
Orientierung. Seit diesem Jahr ist er auch Träger der von der
Landesregierung unterstützten Koordinierungsstelle Queeres
Brandenburg. Katte steht in Verbindung mit Rechtsanwälten,
Psychologen oder den Ansprechpartnern für gleichgeschlechtliche
Lebensweisen der Polizei in Berlin und Brandenburg und unterstützt
Opfer von Straftaten bei Gerichtsverhandlungen.

Ein größeres Verständnis gegenüber schwulen, lesbischen, bi-, trans
-
oder intersexuellen Menschen sei auch darauf zurückzuführen, dass
sich zunehmend mehr Prominente aus Politik, Sport oder dem
Showgeschäft zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen, sagte Bock.
Nach seinen Angaben hat der Verein Katte in Brandenburg 2017 noch 27
einschlägige Straftaten registriert, ein Jahr später waren es 24,
2019 dann 20.

Wie das Innenministerium der Linksfraktion des Landtages auf eine
Anfrage mitteilte, registrierte die Polizei in Brandenburg im
vergangenen Jahr acht Straftaten gegen Menschen aufgrund ihrer
sexuellen Orientierung, so viele wie im Jahr 2015. Zwischendurch war
die Zahl der Delikte geringfügig zurückgegangen. Bei den als
politisch motiviert eingestuften Straftaten ging es um Delikte wie
Körperverletzung, schwere Körperverletzung, Beleidigung,
Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen.

Laut Bock stellen viele Opfer sexueller Übergriffe keine
Strafanzeige. Gewalttaten in lesbischen Beziehungen seien nahezu
ausschließlich Beziehungsdelikte, bei denen eher ein Psychologe
helfen könne. Hier gebe es eine relativ große Dunkelziffer. Auch
Fälle von Gewalt gegen homosexuelle Schüler würden fast
ausschließlich in der Schule geklärt. 

Auch bei den häufigen Straftaten mit homophoben Hintergrund in
Flüchtlingsheimen werde die Polizei selten eingeschaltet. «Den
geschädigten Emigranten geht es um die Verlegung in eine andere
Unterkunft, was mithilfe der Flüchtlingskoordinatoren in den Kommunen
nahezu immer klappt», sagt Bock. Auch hier gebe es eine hohe
Dunkelziffer. Gerade unter Flüchtlingen bestehe oft nur wenig
Vertrauen in die Arbeit der Polizei.

Bock erinnert sich an einen Fall, bei dem ein schwuler Flüchtling in
sozialen Medien auf Arabisch mehrfach mit dem Tode bedroht wurde. «Da
hat die Polizei wenig hilfreich gehandelt, auch weil sie die
arabischen Aufrufe nicht übersetzen konnte.» Ohne die Delikte in den
Flüchtlingsunterkünften wäre der Rückgang der entsprechenden
Straftaten in Brandenburg noch höher ausgefallen.

Auch das Innenministerium geht von einer Dunkelziffer
aus. Interessenverbände von Menschen mit einer homosexuellen oder
anderen Orientierung hätten Vorbehalte gegenüber den
Strafverfolgungsbehörden aufgrund einer vermuteten fehlenden
Sensibilität beim Umgang mit Opfern genannt. Dies könne Ursache für

den Verzicht auf Strafanzeigen sein.