Million-Betrug in der Intensivpflege? Ex-Chefin auf der Anklagebank

Eine Berliner Firma für Pflegedienste soll jahrelang unqualifizierte
Mitarbeiter bei der Betreuung von Beatmungspatienten eingesetzt und
Leistungen von Fachkräften abgerechnet haben. Nun begann der Prozess.

Berlin (dpa/bb) - Als Inhaberin einer Firma für Pflegedienste soll
eine 63-Jährige einen großangelegten Abrechnungsbetrug organisiert
haben - mit Schaden in Millionenhöhe. Rund neun Monate nach der
Festnahme der Frau hat am Donnerstag der Prozess vor dem Landgericht
Berlin begonnen. Mitangeklagt sind zwei Frauen und ein Mann, die in
der Intensivpflege eingesetzt worden seien, obwohl sie weder über die
notwendige Qualifikation noch über die erforderlichen Kenntnisse der
deutschen Sprache verfügt hätten. Die Verhandlung wurde allerdings
nach Verlesung der Anklage für zwei Wochen unterbrochen. Damit kamen
die Richter einem Antrag eines Verteidigers nach.

Der ehemaligen Chefin werden insgesamt 129 mutmaßliche Taten zur Last
gelegt. In der Zeit von September 2013 bis April 2019 habe die Frau
falsche Angaben gegenüber den Krankenkassen gemacht und Leistungen
betrügerisch abgerechnet. Ihr sei bewusst gewesen, dass in der
Intensivpflege laut Gesetz nur entsprechend qualifiziertes Personal
eingesetzt werden durfte, so die Anklage. Es habe sich in der Regel
um eine äußerst komplexe 24-Stunden-Betreuung gehandelt.

Die Mitangeklagten im Alter von 42, 44 und 61 Jahren sollen ohne
fachliche Qualifikation eingesetzt worden sein. Sie hätten durch
Abzeichnung der erbrachten Leistungen gemeinschaftlich mit der
63-Jährigen die Kassen getäuscht.

Nachdem die Firma der 63-Jährigen aufgrund von Insolvenz im Sommer
2018 aufgelöst worden sei, habe die Frau unqualifizierte Kräfte an
andere Firmen im Bereich der Intensivpflege vermittelt, heißt es
weiter in der Anklage. «Die Qualifikation der Pflegekräfte wurde
anhand von gefälschten Zertifikaten vorgetäuscht.» Es sei darum
gegangen, deutlich höhere Stundenlöhne zu kassieren.

Betroffen seien in der Regel Beatmungspatienten gewesen, sagte die
Staatsanwältin am Rande. Der Einsatz nicht qualifizierter Kräfte sei
für die Patienten potenziell gefährlich. Es sei den Ermittlungen
zufolge jedoch «nie etwas passiert». Bei dem mutmaßlichen
Pflegebetrug sei gegenüber Krankenkassen mit gefälschten Unterlagen
über Qualifikationen agiert worden - «auch eine Putzfrau soll
eingesetzt worden sein». Im Prozess gehe es um einen Schaden von
insgesamt rund 1,5 Millionen Euro - «er dürfte aber wesentlich höher

sein». Nur ein Bruchteil der mutmaßlichen Fälle sei angeklagt worden.


Ob sich die Geschäftsführerin sowie die Mitangeklagten zu den
Vorwürfen äußern werden, blieb zunächst offen. Für den Prozess si
nd
29 weitere Tage bis Anfang August 2020 terminiert.