Münchner Sicherheitskonferenz: Reden gegen die Ratlosigkeit Von Michael Fischer und Carsten Hoffmann, dpa
Gefühlt gab es lange nicht mehr so viele gefährliche Krisen wie
heute. Die Münchner Sicherheitskonferenz versucht ab Freitag, das
Chaos ein wenig zu ordnen. Zu den Highlights der dreitägigen
Veranstaltungen zählen ein Comeback und eine Premiere.
Berlin (dpa) - Als Wolfgang Ischinger Anfang der Woche auf seiner
traditionellen Pressekonferenz das Programm der diesjährigen Münchner
Sicherheitskonferenz vorstellte, begann er mit einem Wutausbruch. Es
gebe inzwischen so viele Konflikte auf der Welt, dass zweieinhalb
Tage viel zu wenig seien, sie zu besprechen, sagte der ehemalige
Top-Diplomat, der die Konferenz seit 2009 leitet.
Er sei «zutiefst aufgewühlt» über das «unverzeihliche Versagen»
der
internationalen Gemeinschaft in Syrien. Und wenn er an die fehlende
Umsetzung der Beschlüsse des Berliner Libyen-Gipfels denke, werde ihm
schlecht. «Wir haben mehr Krisen, mehr schlimme Krisen, mehr
grauenhafte Vorgänge, als man sich das eigentlich vorstellen kann.»
Die meisten Krisen sind zwar nicht neu. Allerdings verstärkt sich
Jahr für Jahr der Eindruck, dass die Weltgemeinschaft nicht mehr in
der Lage ist, sie in den Griff zu bekommen. Die Münchner
Sicherheitskonferenz versucht, dem Gefühl der Ratlosigkeit etwas
entgegensetzen. Dazu kommen von Freitag bis Sonntag etwa 35 Staats-
und Regierungschefs sowie fast 100 Außen- und Verteidigungsminister
in die bayerische Landeshauptstadt. Das ist von dem Treffen zu
erwarten:
DAS SPANNENDSTE COMEBACK
Als Außenminister war Frank-Walter Steinmeier viele Jahre Stammgast
bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Jetzt kehrt er als
Bundespräsident zurück, um in dieser Funktion seine erste große
sicherheitspolitische Rede zu halten. Zuletzt eröffnete vor sechs
Jahren ein Bundespräsident die Sicherheitskonferenz: Joachim Gauck
mahnte damals in einer Ruckrede mehr deutsche Verantwortung in der
Welt an - auch militärisch. Auch Steinmeier sagte damals, Deutschland
müsse von der Seitenlinie aufs Spielfeld der Außenpolitik drängen.
Mal sehen, wie seine Bilanz aussieht.
DIE WICHTIGSTE PREMIERE
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sicherheitspolitisch
für einigen Wirbel gesorgt in den vergangenen Monaten. Zuerst
rüttelte er die Nato mit seiner Diagnose auf, das Bündnis sei
«hirntot». In der vergangenen Woche machte er einen neuen Vorstoß f
ür
mehr Autonomie Europas bei der Verteidigung - inklusive einer engeren
Zusammenarbeit bei der atomaren Abschreckung. Man darf gespannt sein,
was er bei seiner Premiere auf der Sicherheitskonferenz nachlegt.
DIE TRUMPS UND DIE ANTI-TRUMPS
Trotz des anlaufenden Wahlkampfs in den Vereinigten Staaten ist die
US-Delegation wieder recht groß. Beide Seiten - Republikaner und
Demokraten - sind prominent vertreten. Das Lager von Präsident Donald
Trump bietet gleich drei Minister auf: Mike Pompeo (Außen), Mark
Esper (Verteidigung) und Dan Brouillette (Energie). Das
Anti-Trump-Lager wird von der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses,
Nancy Pelosi (79), angeführt. Außerdem dabei: Mitt Romney, der
einzige Senator aus Trumps Republikanischer Partei, der für eine
Amtsenthebung des Präsidenten gestimmt hat.
VISUM FÜR DEN IRAN
Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif durfte zuletzt
nicht zu den Vereinten Nationen nach New York reisen, weil die USA
ihm das Visum verweigerten. In München ist er wie in den Vorjahren
dabei - und sicher wieder für eine kernige Rede gut. Auch wenn sich
die Eskalationsspirale zwischen den USA und dem Iran derzeit nicht
weiter dreht, bestehen die Spannungen unverändert fort. Und die
Versuche der Europäer, das Abkommen mit Teheran zur Verhinderung
einer iranischen Atombombe zu retten, treten auf der Stelle.
NACHSITZEN IN SACHEN LIBYEN
Für Außenminister Heiko Maas findet der wichtigste Termin der
Sicherheitskonferenz ganz zum Schluss am Sonntag statt. Dann trifft
er sich mit seinen Kollegen aus den Staaten, die vor vier Wochen auch
am Libyen-Gipfel in Berlin teilgenommen haben. Die Umsetzung der
Beschlüsse kommt nur schleppend voran, die Kämpfe in dem
nordafrikanischen Land halten an und das Waffenembargo wird immer
noch verletzt. Allerdings beschloss der UN-Sicherheitsrat kurz vor
der Konferenz eine Resolution, die die Beschlüsse von Berlin stützt.
Trotzdem gibt es einiges nachzuarbeiten.
DAUERTHEMA SYRIEN
Die Kämpfe um die syrische Rebellenhochburg Idlib haben eine neue
Massenflucht ausgelöst, die noch bis nach Europa zu spüren sein
könnte. In dem Konflikt hat die westliche Diplomatie ihre
Handlungsspielräume aber weitgehend eingebüßt. Russland, die Türkei
und der Iran sind zu bestimmenden Akteuren geworden. Anders sieht es
im angrenzenden Irak aus, wo die internationale Militärpräsenz nach
der gezielte Tötung eines iranischen Top-Generals durch einen
US-Drohnenangriff allerdings in schweres Fahrwasser geraten ist. Die
internationale Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
berät schon am Freitag in München über das weitere Vorgehen. Und eine
für Deutschland wichtige Frage wird drängender: Löst Italien die
deutschen Tornado-Aufklärer über Syrien nach dem 31. März ab?
AKK
Annegret Kramp-Karrenbauer ist noch als die möglicherweise künftige
starke Frau Deutschlands in die Planungen der Sicherheitskonferenz
gegangen. Nach ihrem angekündigten Rückzug vom Amt der CDU-Chefin und
dem damit verbundenen Verzicht auf eine Kandidatur als Kanzlerin muss
ihr der Auftritt als Verteidigungsministerin genügen. Interesse ist
aber garantiert: Bei milliardenschweren Rüstungsprojekten sowie in
Spannungsgebieten wie der Sahelregion stehen - zusammen mit Partnern
- wichtige Entscheidungen an.
DIE KANZLERKANDIDATUR-KANDIDATEN
Zumindest einer aus der CDU ist da. Gesundheitsminister Jens Spahn
dürfte sich bei der Konferenz unter anderem mit dem Coronavirus
befassen. Die anderen Unionisten, die nach der kurzen Ära AKK für
Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur infrage kommen, fehlen.
Kramp-Karrenbauer hätte aber die Gelegenheit, am Rande der Konferenz
mit CSU-Chef Markus Söder über das weitere Vorgehen zu beraten. Die
Konkurrenz schläft jedenfalls nicht. Die Grünen schicken beide
potenzielle Kanzlerkandidaten nach München: Die Parteichefs Annalena
Baerbock und Robert Habeck wollen unter anderem Macron treffen.
UND WO IST DIE KANZLERIN AM WOCHENENDE?
Jedenfalls nicht in München. Das ist allerdings weder unüblich noch
überraschend. Angela Merkel kommt durchschnittlich nur alle zwei
Jahre zur Sicherheitskonferenz. Im letzten Jahr hatte sie in München
eine fulminante Rede gehalten. Diesmal macht sie Pause. Im nächsten
Jahr könnte sie noch einmal dabei sein - vielleicht. Wer weiß, was
bis dann noch alles passiert mit Union und großer Koalition.
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