CDU-Vorsitz und K-Frage: Merz wirft den Hut in den Ring Von Jörg Blank, dpa

Auch wenn Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz sich aus der Deckung
wagt: Vieles am Prozess der Suche nach einem neuen CDU-Vorsitzenden
und einem Unions-Kanzlerkandidaten ist unklar. Doch die
Personalspekulationen kommen in Fahrt.

Berlin (dpa) - Friedrich Merz will es noch mal wissen. Zwei Tage nach
dem Verzicht von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf die
Kanzlerkandidatur und eine weitere Bewerbung als CDU-Vorsitzende ist
klar: Der frühere Unionsfraktionschef will Parteivorsitzender der CDU
werden. Aus seinem engsten Umfeld erfuhr die Deutsche Presse-Agentur
in Berlin am Mittoch, Merz sei entschlossen zu kandidieren. Er wisse
die Parteibasis hinter sich und fühle sich durch Umfragen ermutigt.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag
der RTL/ntv-Redaktion vom Montag - nach dem AKK-Rückzug - sahen die
Befragten beim Thema, wer statt Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidat
in Frage käme, mit 27 Prozent am ehesten Merz vorne. Danach folgen
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (18 Prozent), CSU-Chef Markus
Söder (11 Prozent) und Gesundheitsminister Jens Spahn (8 Prozent). 36
Prozent sind der Meinung, dass keiner der vier geeignet wäre.

Für den am 11. November 1955 im sauerländischen Brilon geborenen Merz
wäre es wohl eine zweifache späte Genugtuung, sollte er tatsächlich
Nachfolger der glücklosen AKK und seiner alten Rivalin Angela Merkel
Parteichef werden. Die hatte ihn im Jahr 2002 vom Vorsitz der
Unionsfraktion verdrängt. Zweifach deshalb, weil er Ende 2018 auf
einem CDU-Parteitag in Hamburg bei der Wahl zum Parteivorsitz gegen
Kramp-Karrenbauer unterlegen war. Auch Spahn war damals angetreten.
Auch wegen des äußerst knappen damaligen Wahlausgangs zwischen AKK
und Merz hatte sich die CDU im Anschluss nie wirklich geeint gezeigt.

Das Pikante an der möglichen künftigen Konstellation mit Merz: In der
Union gehen viele davon aus, dass die Kanzlerin fest vor hat, bis zum
regulären Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 im Amt zu
bleiben. Merz müsste also als Parteichef und Kanzlerkandidat mit
seiner früheren Gegnerin Merkel zusammenarbeiten. Das dürfte für
massive Spannungen sorgen.

In der CDU heißt es schon, werde Merz Parteichef und Kanzlerkandidat,
dürfte er bei Merkel wohl auf Granit beißen, sollte er vorhaben,
beide Ämter tatsächlich rasch zusammenzuführen. Merkel müsste daf
ür
einen Weg finden, vorzeitig aus dem Amt zu scheiden - ohne sie geht
in dieser Frage nichts. Etliche halten es für sehr unwahrscheinlich,
dass sie Merz diesen Gefallen tun würde.

Wichtige Fragen und Antworten zum weiteren Verfahren bei der Suche
nach einem Ausweg aus der Personalkrise der CDU:

Gibt es schon einen konkreten Fahrplan zur Wahl eines neuen CDU-Chefs
und für die Bestimmung der Kanzlerkandidatur?

Nein. Es zeichnen sich aber Abläufe und Fristen ab. Nach
Informationen aus CDU-Kreisen gilt es als möglich, dass sich
Kramp-Karrenbauer an diesem Wochenende am Rande der Münchner
Sicherheitskonferenz mit CSU-Chef Markus Söder trifft und über das
Vorgehen spricht. Sicher ist das allerdings nicht. Ohne Söder geht
bei der Kanzlerkandidatur gar nichts.

Bis zur Mitte kommender Woche will Kramp-Karrenbauer nach
dpa-Informationen Gespräche mit Interessenten für den Parteivorsitz
führen. Das Vorpreschen von Merz dürfte an diesen Planungen zunächst

nicht viel ändern. AKK hatte angekündigt, sie werde den Prozess der
Suche nach einem neuen CDU-Vorsitzenden von vorne führen und dies
gemeinsam mit Söder auch beim Thema Kanzlerkandidatur tun.

Aus Kreisen der NRW-CDU hieß es am Mittwochabend nach dem Vorstoß aus

dem Umfeld von Merz, der CDU-Bundesvize Laschet unterstütze den in
der Partei abgestimmten Weg, hinter dem auch die Bundestagsfraktion
stehe. Für Laschet sei gerade nach den Ereignissen in Thüringen der
Zusammenhalt der Union wichtig.

Wird es einen CDU-Sonderparteitag geben?

In der CDU gibt es erste Überlegungen für einen Sonderparteitag zur
Wahl eines neuen Vorsitzenden und zur Bestimmung eines
Kanzlerkandidaten. Konkrete Planungen gibt es jedoch noch nicht - ob
es tatsächlich einen Sonderparteitag gebe, sei derzeit noch nicht
abzusehen. Laut Statuten ist für die Einberufung eines Parteitags ein
formeller Beschluss des CDU-Vorstands nötig. Die nächste reguläre
Sitzung des Gremiums ist am 24. Februar, Rosenmontag.

Ein Parteitag könnte frühestens acht Wochen nach einem solchen
Beschluss stattfinden. In der Partei wird für möglich gehalten, dass
ein solches Delegiertentreffen für Mai oder Juni einberufen wird. An
dem regulär für Anfang Dezember geplanten Parteitag will die CDU
festhalten - dort soll unter anderem das neue Grundsatzprogramm der
Partei beschlossen werden.

Wer sind die aussichtsreichsten Kandidaten?

Nach wie vor gelten Laschet, Merz und Spahn als aussichtsreichste
Kandidaten für CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur. Seit Dienstag
kursieren in der Union Spekulationen über eine Ämterteilung, die
weder bestätigt noch dementiert werden.

Demnach könnte Laschet mit seiner Erfahrung als Regierungschef des
bevölkerungsreichsten Bundeslandes und Chef des mitgliederstärksten
CDU-Verbands Parteichef - und Kanzlerkandidat - werden. Merz könnte
in einem Wahlkampf-Team die Rolle des Wirtschaftsexperten übernehmen
und später Wirtschaftsminister werden, lauteten diese Überlegungen.
Aus dem Umfeld von Merz hieß es dazu aber, dies sei ein theoretisches
Szenario. Mögliche Posten könnten derzeit noch nicht verteilt werden.

Spahn wird in diesen Gedankenspielen auch als möglicher Nachfolger
von Fraktionschef Ralph Brinkhaus gehandelt. Für den 39-Jährigen wäre

die Führung der mächtigen Fraktion eine Zukunftsperspektive für
spätere höhere Aufgaben. Der in der Unionsfraktion respektierte
Fraktionschef Brinkhaus könnte in dieser Konstellation wie Merz als
Minister ins Kabinett wechseln, er gilt als Finanzfachmann. In
anderen CDU-Kreisen wurde aber auch betont, eine Kandidatur von Spahn
zum Fraktionsvorsitz gegen Brinkhaus sei für den Gesundheitsminister
risikoreich, da eine Mehrheit keineswegs sicher sei.

Gibt es ein «Frühstück in Aachen» zur Klärung der Personalien?

Das ist derzeit unklar. In der Partei heißt es dazu, jeder rede
derzeit mit jedem, das gelte sowohl für Kramp-Karrenbauer wie für die
drei genannten Interessenten als auch für die anderen Mitglieder der
engsten CDU-Spitze. Ein direktes Gespräch zwischen Laschet, Merz und
Spahn soll es demnach aber bis Mittwochabend noch nicht gegeben
haben. AKK hat immer wieder betont, wie eng sie im Kontakt mit Söder
ist - das dürfte auch beim Thema Kanzlerkandidatur der Fall sein.

Wird es eine bindende Mitgliederbefragung oder einen
Mitgliederentscheid über Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz geben
wie bei der SPD?

Die CDU hat auf ihrem Parteitag in Leipzig im November eine Urwahl
des Kanzlerkandidaten abgelehnt. Die Delegierten sprachen sich auch
gegen Anträge für einen Mitgliederentscheid, eine Mitgliederbefragung
oder eine Direktwahl aus. Vor allem die CSU hatte darauf gedrungen,
ein Basisvotum auszuschließen, da sie traditionell über den
Kanzlerkandidaten mitentscheidet. Möglich sind bei wichtigen
Personalentscheidungen wie dem Parteivorsitz aber auch künftig etwa
nicht bindende Regionalkonferenzen, wie es sie 2018 im
Kandidatenrennen um die CDU-Führung gegeben hatte.

Kann es eine vorgezogene Neuwahl im Bund geben?

Das ist offen. In der Partei gibt es wichtige Stimmen, die warnen,
die Union würde ihr Ansehen als Stabilitätsanker gefährden, wenn sie

versuchen würde, vor der regulär in der zweiten Jahreshälfte 2021
endenden Legislaturperiode eine vorgezogene Neuwahl einzuleiten.
Zumal sich selbst die als Wackelkandidat geltende SPD auch mit dem
neuen, eher linken Führungsduo offensichtlich dazu durchgerungen
habe, an der ungeliebten GroKo festzuhalten.

Welche Rolle spielt Kanzlerin Angela Merkel?

An ihr geht wegen der hohen Hürden vor einer vorgezogenen Neuwahl
kein Weg vorbei. In der Fraktion wird nahezu ausgeschlossen, dass es
ein Misstrauensvotum gegen die in der Bevölkerung nach wie vor
beliebteste CDU-Politikerin geben könnte. Zudem ist es ein offenes
Geheimnis in Berlin, wie wichtig für Merkel die in der zweiten
Jahreshälfte 2020 anstehende EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands ist.
Merkel hat mehrere Großprojekte angestoßen, wie etwa den
EU-China-Gipfel im September in Leipzig, den sie unbedingt selbst zum
Erfolg führen will.