«Könnte der nächste sein» - Kreuzfahrten in Asien werden zur Odysse e Von Lars Nicolaysen und Caroline Bock, dpa

Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff, für viele ein Traum. Für Tausende
Passagiere und Crewmitglieder in Asien wird die Reise wegen der
Ausbreitung des neuartigen Coronavirus indes zur Odyssee. Besonders
hart trifft es die «Diamond Princess» vor dem japanischen Yokohama.

Yokohama/Bangkok (dpa) - Es ist die erste Kreuzfahrt in seinem Leben.
Doch was für den jungen Japaner als Traum begann, machte das
neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 zum Albtraum. Er habe zwar selbst
keine Angst, «selbst wenn ich infiziert wäre», schildert der Japaner

in seinen 30ern der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Tokio über
Twitter aus seiner Kabine auf der «Diamond Princess». Doch anderen
Menschen an Bord des unter Quarantäne gestellten Schiffes gehe es
anders. Das hätten sie ihm über soziale Medien wie Twitter mitgeteilt
- denn direkten Kontakt habe man nicht. «Da spüre ich schon, dass sie
Angst haben.»

Zusammen mit rund 3600 anderen Passagieren und Crewmitgliedern ist
der Japaner seit Tagen an Bord des Kreuzfahrtschiffes im heimischen
Yokohama gefangen. Viele Betroffene müssen in Innenkabinen ohne
Fenster oder Balkon ausharren. Und die Quarantäne gilt noch bis
mindestens zum 19. Februar.

Nirgendwo außerhalb Chinas ist die Zahl der mit dem Virus Sars-CoV-2
infizierten Menschen größer als auf dem Kreuzfahrtschiff vor Japan:
174 erfasste Fälle gab es am Mittwochmorgen. Wie viele es tatsächlich
sind, ist weiter unbekannt. Japans Gesundheitsminister Katsunobu Kato
sagte vor dem Parlament, seine Regierung erwäge, alle verbliebenen
Menschen an Bord des Kreuzfahrtschiffes zu testen, wenn sie das
Schiff verlassen haben.

Wenn sie Krankenwagen unter den Fenstern ihrer Kabinen vorfahren
sähen, fürchteten Passagiere, sie könnten die nächsten sein, sagte

ein Japaner an Bord dem örtlichen Fernsehsender Fuji TV. Deutsche
Staatsangehörige befinden sich nach Erkenntnissen der Botschaft in
Tokio bislang nicht unter den positiv auf den Erreger getesteten
Menschen. Man habe deutschsprachige psychologische Unterstützung
organisiert, teilte die Botschaft am Mittwochabend mit.

Gerade für die vielen Senioren wird die Isolation auf dem Schiff
zunehmend zur Belastung. In Japans Medien ist von Klagen über
unzureichende Medikamente für Krankheiten wie Diabetes zu lesen. Es
gibt aber auch Stimmen von Menschen an Bord, die ihre Dankbarkeit für
die Unterstützung durch die Crewmitglieder zum Ausdruck bringen. Die
Medien sollten nicht immer nur das Tragische betonen, schreiben
Japaner bei Twitter.

Die Passagiere sollen in ihren Kabinen bleiben. Essen wird ihnen
dorthin gebracht. Im Schichtwechsel dürfen sie rund eine Stunde am
Tag an die frische Luft, mit Maske, und müssen dabei rund zwei Meter
Abstand voneinander halten. Ansonsten haben die Menschen nicht viel
zu tun, so mancher lädt aus Langeweile auf sozialen Medien Fotos vom
Essen hoch.

Experten sorgen sich jedoch nicht nur um die Passagiere, sondern auch
um die Crewmitglieder, die sich um die Gäste kümmern. Sie seien
doppeltem Stress ausgesetzt - mit viel Pflichtbewusstsein
absolvierter Arbeit und der Angst, sich infiziert zu haben, sagte Sho
Takahashi von der Tsukuba Universität der «Japan Times». Er wies auch

darauf hin, dass Passagiere dazu neigten, ihren Frust an der Crew
auszulassen.

Mancher fragt sich, ob es nicht besser wäre, die Menschen in
Quarantäneeinrichtungen an Land unterzubringen. So wie die 197
Japaner, die mit dem ersten Charterflug aus dem chinesischen Wuhan
ausgeflogen worden waren. Sie wurden negativ getestet und durften am
Mittwoch nach Hause. Andere Ausgeflogene sind noch in einem Hotel in
Quarantäne. Mitfühlende Japaner munterten sie mit mutmachenden
Schriftzeichen im Sand auf, andere musizierten vor dem Gebäude für
die Betroffenen.

Die Regierung in Tokio sorgt sich, zumal in weniger als sechs Monaten
die Olympischen Spiele in der Hauptstadt geplant sind. Bislang sind
einschließlich der Infektionen auf dem Kreuzfahrtschiff 203
Infektionen mit Sars-CoV-2 in Japan bestätigt. Die Regierung will
alles tun, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.

So geht es auch anderen Ländern in Asien. Das zeigt auch der Fall des
Kreuzfahrtschiffes «Westerdam»: Es reichte allein schon, dass das
Schiff aus Hongkong kam, um in einer tagelangen Odyssee durch
asiatische Gewässer fahren zu müssen und nirgends andocken zu dürfen.

Weder in Japan, Taiwan noch auf den Philippinen. Dabei sind keinerlei
Infektionen mit dem Covid-19-Virus an Bord bekannt.

Nach Angaben der Reederei Holland America Lines waren rund 1500 Gäste
und 800 Besatzungsmitglieder auf dem Luxusliner. «Unsere Gäste sind
nicht unter Quarantäne und können sich auf dem Schiff frei bewegen»,

versicherte der Konzern bei Twitter. Am Mittwoch hieß es dann, man
nehme jetzt Kurs auf Kambodscha. Geplant sei, am Donnerstagmorgen
(Ortszeit) anzukommen. Alle Genehmigungen lägen vor. «Wir sind den
kambodschanischen Behörden extrem dankbar für die Unterstützung.»

Wie in sozialen Medien zu lesen war, gab es Passagiere auf der
«Westerdam», die das Beste aus der Situation machten. Christina
Kerby, laut Twitterprofil aus Kalifornien, veröffentlichte ein Video,
das ihren Worten nach zeigt, wie die Crew von den Passagieren
Standing Ovations bekommt, dazu der Hit «We are Family». Ein anderes
Mal erzählt sie von einem Yoga-Kurs am Pool. Ihre Gedanken seien bei
dem Schiff in Japan - auf der «Westerdam» sei die Lage ganz anders.