Zahl der Coronafälle steigt - Zentralbank-Präsidentin besorgt

Wieder meldet China einen Rekordanstieg der Virusfälle und Toten. Das
neue Virus zieht zunehmend weitere Kreise - und hat auch
gesellschaftliche Folgen.

Peking/Yokohama (dpa) - Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen und
der Toten durch das neue Coronavirus ist in China wieder schneller
gestiegen als in den Tagen zuvor. Bis Mittwoch kletterte die Zahl der
Patienten mit der neuen Lungenkrankheit innerhalb eines Tages um 3887
auf 24 324, wie die Gesundheitskommission in Peking berichtete. Die
Zahl der Toten stieg auf 490. Wegen der Ausbreitung des Virus wächst
aus Sicht der chinesischen Botschaft in Berlin die Zahl der
Anfeindungen gegen chinesische Bürger in Deutschland.

«Die jüngsten Anfeindungsfälle und die fremdenfeindlichen Äußerun
gen
in einzelnen Medien haben nach dem Coronavirus-Ausbruch zugenommen
und sind besorgniserregend», teilte die Botschaft auf Anfrage mit.
Nach einem Angriff auf eine Chinesin in Berlin habe man sofort die
Polizei kontaktiert.

Wie die Berliner Polizei mitteilte, sollen zwei Frauen am
Freitagnachmittag im Stadtteil Moabit eine Chinesin rassistisch
beleidigt und attackiert haben. Die 23-Jährige wurde demnach am Kopf
verletzt und ambulant in einem Krankenhaus behandelt, ihre Brille
zerbrach. Die Angreiferinnen flüchteten. Nach dem Fall habe man die
chinesischen Staatsbürger in Deutschland auf sozialen Medien und über
die Webseite auf die aktuelle Situation hingewiesen, erklärte die
Botschaft. Man habe Ratschläge für den Fall einer Provokation oder
Straftat gegeben.

Nach Angaben chinesischer Mediziner können mit dem Coronavirus
infizierte Mütter den Erreger an ihr Neugeborenes weitergeben. Ein
solcher Infektionsfall sei bei einem Säugling nur 30 Stunden nach der
Geburt festgestellt worden, berichtete der Chef der
Neugeborenenabteilung des Kinderkrankenhauses von Wuhan, Zeng
Lingkong. Das Baby zeige stabile Lebenszeichen, habe aber eine
Entzündung der Lungen und eine leicht abnormale Leberfunktion.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet damit, dass die
Zahl der nachgewiesenen Infektionen durch das neue Coronavirus weiter
steigen wird. «Der Höhepunkt ist noch nicht erreicht. In China nicht,
was die Infektionszahlen und die Entwicklung angeht und damit auch
für die Welt und für Deutschland nicht», sagte Spahn vor der
Quarantäne-Station im pfälzischen Germersheim. Deutschland sei gut
vorbereitet und könne mit der «dynamischen Lage» gut umgehen.

In der Bundeswehrkaserne in Germersheim sind rund 120 Menschen
untergebracht, die am Samstag an Bord einer Sondermaschine in
Frankfurt gelandet waren. Bei zwei der Rückkehrern aus China wurde
das Virus bereits nachgewiesen, worauf diese in die Uniklinik
Frankfurt gebracht wurden. Außerdem gibt es zehn registrierte
Infizierte in Bayern, die in Zusammenhang mit dem Autozulieferer
Webasto stehen. Eine infizierte Chinesin, die zu einem Seminar der
Firma gekommen war, hatte erst nach ihrem Abflug nach China Symptome
entwickelt. Allen zwölf Infizierten in Deutschland geht es nach
Angaben ihrer Ärzte den Umständen entsprechend gut.

Für acht deutsche Passagiere auf dem Kreuzfahrtschiff «Diamond
Princess», das vor Yokohama in Japan vor Anker liegt, gab es
Entwarnung. Zwar wurden zehn Virusfälle unter Passagieren entdeckt,
aber die Deutschen waren nicht darunter. Die Infizierten wurden ins
Krankenhaus gebracht. Das Schiff bleibt vorerst weiter unter
Quarantäne. In Hongkong wurde nach Infektions-Nachweisen am Mittwoch
ein weiteres Kreuzfahrtschiff mit mehr als 1800 Passagieren
festgesetzt.

Das Coronavirus kann nach Erkenntnissen deutscher Forschungsinstitute
auch von Patienten mit nur sehr milden Krankheitssymptomen übertragen
werden. Deutsche Mediziner teilten mit, dass einige der derzeit in
der Klinik Schwabing in München behandelten Patienten auch bei nur
schwachen Symptomen Viren in ihrem Nasen-Rachen-Raum zeigten. Zudem
sei festgestellt worden, dass sich das Virus unabhängig von der Lunge
auch im Nasen-Rachen-Raum und im Verdauungstrakt vermehrt. Diese
Beobachtungen seien deutliche Hinweise für eine Übertragbarkeit
bereits bei milder oder beginnender Erkältungssymptomatik wie zum
Beispiel Halsschmerzen, einer Nasennebenhöhlen-Infektion oder nur
einem leichten Krankheitsgefühl ohne Fieber.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) braucht in den nächsten drei
Monaten zusätzlich mehr als 600 Millionen Euro für die Eindämmung des

neuen Coronavirus. Nach den Berechnungen sind 675 Millionen Dollar
(613 Millionen Euro) nötig, um auch ärmeren Ländern zu helfen, sich
auf einen möglichen Ausbruch vorzubereiten, sagte WHO-Generaldirektor
Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. «675 Millionen Dollar ist viel
Geld, aber es ist deutlich weniger als das, was auf uns zukommen
könnte, wenn wir nicht jetzt in die Vorkehrungen investieren», sagte
Tedros. Die WHO verschicke 250 000 Testsets an 70 Labore weltweit.
Zudem würden unter anderem eine halbe Million Gesichtsmasken und 350
000 Paar Handschuhe verschickt.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine
Lagarde, hat sich besorgt über mögliche Auswirkungen der schnellen
Ausbreitung des Coronavirus auf die konjunkturelle Entwicklung
gezeigt. Nachdem die Bedrohung für den Welthandel durch den
Handelskrieg zwischen den USA und China etwas in den Hintergrund
getreten sei, sorge das Coronavirus für neue Unsicherheit, sagte
Lagarde in Paris.

Nach Berechnungen des Ifo-Instituts wird sich die Corona-Seuche
dagegen kaum auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Der
Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser sagte der «Zeit», die
Infektionskrankheit Sars habe die chinesische Wirtschaft im Jahr 2003
um ein Prozent weniger wachsen lassen und die deutsche um 0,5
Promille. «Wenn die aktuelle Epidemie das chinesische
Wirtschaftswachstum doppelt so stark dämpft, wie es bei Sars der Fall
war, dürfte es in Deutschland um etwa 0,1 Prozent niedriger
ausfallen.» Denn eine Epidemie dämpfe vor allem den Konsum. «Für
Deutschland ist es aber praktisch irrelevant, wenn der Konsum in
China zurückgeht. Wir liefern kaum Konsumgüter dorthin.»