Krisenforscher zu China: Jetzt sind Leitfiguren gefragt

Wie reagieren Menschen auf Situationen wie aktuell in China? Ein
Krisenforscher hat das anhand von Epidemien und Katastrophen
untersucht. Er erläutert, worauf es in einer solchen Lage ankommt.

Kiel (dpa) - Im Kampf gegen die Verbreitung der neuen Lungenkrankheit
sind zig Millionen Menschen in China abgeschottet: In derartigen
Krisensituationen suchten Menschen immer nach Orientierung, sagte der
Direktor des Kieler Instituts für Krisenforschung, Frank Roselieb.
Deshalb seien Hilfsorganisationen hierarchisch aufgebaut. «Menschen
brauchen in solchen Situation eine Leitfigur, an der sie sich
langhangeln können, jemanden, der ihnen sagt, was Sache ist.»

Aber: Nur wenn die Führung auch eine Art Teamstruktur schaffe,
entstehe das Gefühl, man könne die Krise gemeinsam bewältigen,
betonte Roselieb. Nötig sei dafür ein kompetenter Teamleader mit
Erfahrung.

«Zum Teil organisieren sich Menschen das auch selbst», sagte Roselieb
etwa mit Blick auf den Hurrikan «Katrina». «Wir haben bei der
Flutkatastrophe in Louisiana 2005 untersucht, wie die Amerikaner das
organisiert haben, deren Katastrophenschutz schwächer organisiert ist
als in Deutschland.» Als Erfolgsfaktor habe sich herausgestellt, dass
sich in den Gruppen von Eingeschlossenen Leitfiguren fanden, die dann
die Steuerung übernahmen.

Menschen seien aber eher selten so programmiert, dass sie selbst
Verantwortung übernehmen. Sie seien zwar bereit mitzumachen, aber
jemand müsse ihnen erklären, wie etwa eine Wasserbarriere oder eine
Dekontaminationsstation aufzubauen sind.

Ob in Situationen wie derzeit in Zentralchina die Neigung zu
Hamsterkäufen steigt? «Wir haben das untersucht bei der
Schweinegrippe 2009 in Großbritannien», sagte Roselieb. Damals seien
die Menschen dazu aufgerufen worden, zu Hause zu bleiben. «Dann wägen
sie im Kopf ab und fragen sich: «Was ist mir jetzt wichtiger, meine
Gesundheit oder mein knurrender Magen?»»

Erfahrungsgemäß komme es zu panischen Käufen eher vor einer Krise:
«Wenn die Orkanwarnung kommt, gibt es Hamsterkäufe, und in der Krise
selbst ziehen sich die Menschen mehr in sich zurück und bleiben zu
Hause.» Dann sei ihnen die Gesundheit wichtiger als der knurrende
Magen.