Prozess um Pfusch bei OP: Arzt zu über zehn Jahren Haft verurteilt
Eine Patientin begibt sich nach einem Unfall voller Vertrauen in die
Hände eines Neurochirurgen. Doch aus der erhofften Heilung werden
Schmerzen für den Rest des Lebens. Der Arzt muss nun in Gefängnis.
Rostock (dpa/mv) - Wegen schwerer Körperverletzung hat das Rostocker
Landgericht einen Neurochirurgen zu einer Haftstrafe von zehn Jahren
und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht sah es am Mittwoch als
erwiesen an, dass der 56 Jahre alte Mediziner eine Patientin im Jahr
2010 zu einer unnötigen Halsoperation überredet und diese zudem
fehlerhaft ausgeführt hatte. Die inzwischen 48 Jahre alte Frau aus
der Nähe von Neubrandenburg ist seit der Operation dauerhaft krank
und berufsunfähig. Über die Haftstrafe hinweg verhängte das Gericht
ein lebenslanges Berufsverbot.
Allein aus wirtschaftlichen Gründen, um seine verschuldete Praxis
über die nächste Runde zu bringen, habe der Angeklagte der Patientin
die Operation aufgedrängt, sagte der Richter. Die Diagnose sei «wider
besseren Wissens schlicht erfunden» gewesen. Da die Operation zudem
falsch verlief, habe er lebenslanges Leid über die Frau gebracht. Der
Arzt habe seine Interessen «rücksichtslos, eiskalt, planvoll und
unbarmherzig» verfolgt. Strafverschärfend wertete das Gericht die
Einschätzung des Angeklagten, die Patientin sei eine Narzisstin, die
um Aufmerksamkeit buhle und sich in ihrer Rolle als Leidende
«pudelwohl» fühle.
Die ehemalige Justizsekretärin litt seit 2003 nach einem Autounfall
an Schwindel und Nackenschmerzen. 2010 wurde sie an den Arzt
vermittelt. Dieser stellte angeblich eine bis dahin nicht erkannte
Fraktur eines Halswirbels, eine Entzündung im Hirnwasser, einen
verengten Spiralkanal und eine instabile Halswirbelsäule fest. Nichts
davon hatte nach Auffassung des Gerichts gestimmt. Statt bei der
Operation zwei Wirbel mit einem Implantat zu stabilisieren, setzte er
Schrauben und eine Platte zum Teil fehlerhaft ein, wodurch die
Patientin bis heute ihren Kopf nicht mehr wenden kann. Auch eine
spätere Operation konnte ihre Gesundheit nicht wieder herstellen. Sie
zeigte sich nach dem Urteil vor allem damit zufrieden, dass ein
lebenslanges Berufsverbot für den Arzt verhängt wurde.
Das Gericht lag mit dem Urteil deutlich über dem Strafmaß von acht
Jahren Haft, das die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer gefordert
hatte. Die Verteidigung hatte die Vorwürfe der Anklage dagegen
bestritten und höchstens fünf Jahre Haft beantragt. Der Arzt könne
nur wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt werden, weil er
sich bei seiner Diagnose zu sehr auf die Angaben der Patientin über
ihre Leiden verlassen habe, so die Argumentation der Rechtsanwälte.
Die Verteidigung ließ offen, ob sie gegen das Urteil beim
Bundesgerichtshof in Revision gehen werde.
Die Körperverletzung bestrafte das Gericht mit sieben Jahren und
sechs Monaten Haft. Allerdings war der Arzt 2014 wegen
Abrechnungsbetrugs zu vier Jahren und sieben Monaten Gefängnis
verurteilt worden. Diese Strafe ist fast vollständig verbüßt. Dieses
Urteil wurde im Nachhinein «aufgelöst» und beide Strafen zu einer
Gesamtstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten zusammengefasst.
Der Prozess hatte im April 2018 begonnen. Kurz vor seinem Ende drohte
er zu platzen, da der Angeklagte wegen anderer Vorwürfe in der
Schweiz in Untersuchungshaft genommen wurde und sich anfangs
weigerte, einer beschleunigten Auslieferung nach Rostock zuzustimmen.
Das Landgericht hätte jedoch ohne seine Anwesenheit den Prozess zu
Ende gebracht.
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.