Angriff auf von Weizsäcker - Mord im Wahn laut Expertin «sehr selten»
Er soll die Tat geplant, ein Messer gekauft und aus Rheinland-Pfalz
zum Vortrag des Mediziners angereist sein: Der Angreifer im Fall
Fritz von Weizsäcker ist in eine Psychiatrie gebracht worden. Was
steckt dahinter?
Berlin (dpa) - Trauer und die Frage nach dem Warum: Zwei Tage nach
dem Messerangriff eines psychisch Kranken auf Fritz von Weizsäcker
hat eine Expertin die Seltenheit derartiger Fälle betont. «Insgesamt
sind Gewaltdelikte wie Mord oder Totschlag durch Wahnkranke sehr
selten. Sie erregen aber natürlich große Aufmerksamkeit, wenn
Prominente die Opfer sind», sagte Isabella Heuser, Direktorin der
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité, am
Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.
Fritz von Weizsäcker wurde nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden
getötet, weil der Angreifer «wohl wahnbedingt» eine Abneigung gegen
die Familie hatte. Der Vater des Getöteten war der frühere
Bundespräsident Richard von Weizsäcker.
Der 57 Jahre alte Angreifer aus Rheinland-Pfalz wurde wegen einer
«akuten psychischen Erkrankung» in eine Psychiatrie gebracht - in
welche Einrichtung genau, wurde nicht mitgeteilt. Details zu den
Wahnvorstellungen nannte die Staatsanwaltschaft nicht. Der Mann war
zuvor nicht mit Straftaten in Erscheinung getreten.
Heuser sagte über Menschen im Wahn: «Betroffene leben in ihrer
eigenen Realität.» Wahn sei durch falsche Überzeugungen
gekennzeichnet. Sie nannte ein Beispiel: Betroffene glaubten zum
Beispiel, an Aids erkrankt zu sein, auch wenn sie keine Symptome
hätten und auch nicht HIV-positiv seien. Von der Realität ließen sich
Betroffene nicht überzeugen. «Kranke bauen ihre Überzeugung zu einem
Wahnsystem aus, einem elaborierten Konstrukt», so Heuser.
Unterdessen trug sich Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci
(SPD) am Donnerstag in der Schlosspark-Klinik in Charlottenburg, wo
die Tat geschah, in ein Kondolenzbuch für Fritz von Weizsäcker ein.
Sie würdigte ihn nach vorab verbreiteten Angaben ihrer Sprecherin als
sehr engagierten, anerkannten Mediziner: «Sein unerwarteter und
gewaltsamer Tod reißt eine große Lücke in die medizinische Landschaft
Berlins.» Seine Arbeit und sein Wirken würden nicht vergessen.
Zahlreiche Mitarbeiter der Klinik hätten am Mittwochnachmittag im
Rahmen einer internen Veranstaltung des getöteten Chefarztes gedacht,
teilte eine Sprecherin der Klinik auf Anfrage mit. Man habe die
Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, hieß es - ohne dass dazu Details
genannt wurden. Frühere Attacken auf Personal habe es nicht gegeben.
Der 59 Jahre alte Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von
Weizsäcker (1920-2015) war am Dienstagabend gegen Ende eines
öffentlichen Vortrags von einem Zuhörer mit einem Messer am Hals
attackiert worden und gestorben. Der Angreifer wurde von einem
zufällig anwesenden Polizisten überwältigt. Der Beamte wurde dabei
schwer verletzt. Ihm geht es laut Polizei «den Umständen
entsprechend». Der 33-Jährige habe nachoperiert werden müssen, hieß
es am Donnerstag. Der Beamte sei aber nicht in Lebensgefahr.
Nach der Tat sprach sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft gegen
Zugangskontrollen aus. «Zugangskontrollen zu installieren, wie wir
sie an Flughäfen kennen, ist bei uns nicht möglich», sagte der
Präsident der Organisation, Gerald Gaß, der Deutschen Presse-Agentur.
«Wir würden die Abläufe im Klinikalltag massiv behindern.» Auch bei
Patienten würde dies für Unverständnis sorgen. Gaß wertete die Tat
gegen von Weizsäcker als «absolute Ausnahme» - solche Taten seien
ausgesprochen selten. Solche Extremereignisse ließen sich in einer
offenen Gesellschaft auch nie ganz ausschließen.
Der Angreifer gab laut Staatsanwaltschaft an, die Tat geplant zu
haben. Im Internet sei er auf den Vortrag des Chefarztes in der
Schlosspark-Klinik gestoßen. Der Mann sei am Dienstag mit der Bahn zu
der Veranstaltung gefahren. Zuvor habe er noch in Rheinland-Pfalz ein
Messer gekauft. Dem Mann werden Mord und versuchter Mord zur Last
gelegt.
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