Chefarzt in der Klinik attackiert - Fritz von Weizsäcker erstochen Von Anett Indyka, Esteban Engel und Caroline Bock, dpa
Tödlicher Angriff auf den Arzt Fritz von Weizsäcker: Der Sohn des
früheren Bundespräsidenten wird während eines Vortrags in einer
Berliner Klinik erstochen. Am Tag danach ist der Schock groß.
Handelte der Angreifer im Wahn?
Berlin (dpa) - Am Tatort hängt am Tag danach noch ein Zettel:
«Konferenzraum gesperrt». Vor der Berliner Schlosspark-Klinik sind
Kamerateams und Polizeiautos zu sehen, ein Sicherheitsmann passt auf,
dass der Betrieb weitergehen kann. Am Dienstagabend ist das
Krankenhaus zum Ort eines Verbrechens geworden: Ein Mann sticht dem
Chefarzt Fritz von Weizsäcker (59) während eines Vortrags mit einem
Messer in den Hals. Der Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard
von Weizsäcker stirbt noch vor Ort.
Der Angreifer hatte es, so berichten die Ermittler, wohl auf die
Familie von Weizsäcker abgesehen. Der Mann ist ein 57 Jahre alter
Deutscher aus Rheinland-Pfalz. Er soll «eine akute psychische
Erkrankung» haben. Noch am Mittwochabend sollte er in eine Klinik
kommen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Die Behörde spricht von
einer «wohl wahnbedingten allgemeinen Abneigung des Beschuldigten
gegen die Familie des Getöteten».
Der Angreifer soll die Tat geplant haben. Im Internet stieß der Mann
auf den Vortrag, kaufte sich in Rheinland-Pfalz ein Messer und fuhr
mit der Bahn nach Berlin, so der Stand der Ermittlungen am Mittwoch.
Gegen Ende des Vortrags sei er auf das Podium gegangen und habe den
Redner attackiert.
Das Opfer ist ein renommierter Mediziner, aus einer der bekanntesten
deutschen Familien. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückt
der Mutter des Opfers, der einstigen First Lady Marianne von
Weizsäcker (87), handschriftlich sein Beileid aus. Auch die Kanzlerin
kondoliert.
Der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker würdigt seinen
Cousin Fritz am Morgen danach mit warmen Worten. «Ich fand ihn ganz
wunderbar», sagt von Weizsäcker der Deutschen Presse-Agentur. «Ich
habe ihn ungewöhnlich lieb gehabt.» Fritz von Weizsäckers Schwester
Beatrice schreibt bei Twitter: «Wir können es weder fassen noch
glauben.» Bei Instagram postet sie ein Kreuz.
In der Krankenhaus-Kantine erzählt eine Angestellte am Tag danach,
dass der Chefarzt ein sehr netter Mensch gewesen sei. Die Klinik legt
ein Kondolenz-Buch aus. «Alle Mitarbeiter haben die Möglichkeit, in
einem geschützten Raum ihre Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen»,
heißt es in einer Stellungnahme. Die Mitarbeiter und auch die
Teilnehmer der Veranstaltung bekommen demnach psychologische
Unterstützung.
Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) bekundet ihr
Beileid, sie sei bestürzt. Sie verurteile Gewalt gegen Ärztinnen und
Ärzte und Pflegekräfte «aufs Äußerste». Dass Menschen, die ande
ren
helfen und Leben retten, so etwas passiere, erschüttere sie
besonders. «Mein Dank und Respekt gilt den Teilnehmenden der
Veranstaltung, die Zivilcourage gezeigt haben.»
Wird es nun eine Sicherheitsdiskussion geben? Von Weizsäckers
Kollegin, der Berliner Charité-Professorin Britta Siegmund, geht die
Tat nahe. Es sei schon der zweite Kollege, den sie auf diese Weise
verliere, sagt Siegmund. Eine Sicherheitsdebatte zu führen, hält sie
derzeit aber nicht für sinnvoll. «Wir wissen jetzt zu wenig, was
passiert ist.» Erst einmal seien die Gedanken bei der Familie.
Im Sommer 2016 hatte ein 72 Jahre alter Patient an der Charité einen
Mediziner erschossen und sich danach selbst getötet. Der 55 Jahre
alte Kieferorthopäde hatte den Mann lange behandelt. Damals war das
Motiv des Täters wohl Verzweiflung. Die Charité bekräftigte danach,
dass Sicherheitskontrollen an Krankenhäusern unrealistisch seien -
die Häuser müssten für Patienten, Angehörige, Mitarbeiter und
Studenten offen sein.
Der Fall von Weizsäcker weckt Erinnerung an frühere Attacken: Während
einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau schießt ein geistig
Verwirrter 1990 auf den damaligen Bundesinnenminister Wolfgang
Schäuble (CDU). Er bleibt querschnittsgelähmt. 1990 greift eine
geistig verwirrte Frau den damaligen saarländischen
Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine (SPD) in
Köln mit einem Messer an.
Was sich in Berlin abgespielt hat? Ein Rückblick: In der
Schlosspark-Klinik gibt es einen öffentlichen Vortrag zum Thema
«Fettleber - (K)ein Grund zur Sorge?». Über ein Dutzend Menschen
finden an diesem kalten, nassen Novembertag den Weg zu dem
Krankenhaus am Rande des Parks von Schloss Charlottenburg. Beim
«Forum 11/2019» im Tagungsraum Haus H der Abteilung für Psychiatrie
spricht Dozent Fritz von Weizsäcker.
Er geht um sein Fachgebiet, «die Fettleber, eine weitgehend
unbekannte, aber zunehmende Volkskrankheit». Gegen Ende kommt es zu
der Attacke. Ein Polizist (33), der zufällig unter den Zuschauern
sitzt, versucht, den Mann aufzuhalten und überwältigt ihn.
Der Beamte wird schwer verletzt. Er kommt später in ein anderes
Krankenhaus, wird operiert und ist nicht in Lebensgefahr. Mehrere der
Menschen im Publikum helfen, den Angreifer festzuhalten.
Gegen 19.00 geht bei Feuerwehr und Polizei ein Notruf ein,
Rettungssanitäter und ein Notarzt eilen zur Hilfe. Sie können den
schwer verletzten Spitzenmediziner nicht mehr retten.
Kriminaltechniker und Ermittler einer Mordkommission sichern am
Tatort mögliche Spuren. Teile der Klinik werden dafür abgesperrt. Die
meisten Fenster bleiben am Abend dunkel.
Das Opfer, der 1960 in Essen geborene Mediziner Fritz von Weizsäcker,
stammte aus einer berühmten Familie. Sein Vater Richard von
Weizsäcker (1920-2015) war von 1984 bis 1994 Bundespräsident, zuvor
1981 bis 1984 für die CDU Regierender Bürgermeister von Berlin
(West).
Bis 1962 wohnte die Familie in Essen und Düsseldorf, zog dann nach
Ingelheim und 1967 nach Bonn. Fritz von Weizsäcker war das jüngste
der vier Kinder. Sein Bruder Andreas starb 2008, es leben noch die
Schwester Beatrice (61) und der älteste Robert Klaus (64).
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