«Wir werden sehr alt» - Aber Anstieg der Lebenserwartung flacht ab Von Jenny Tobien, dpa

Die Menschen in Deutschland werden laut Statistik immer älter.
Allerdings steigt die Lebenserwartung hierzulande langsamer als noch
vor zehn Jahren. Woran liegt das? Das Robert-Koch-Institut sieht
mehrere Gründe.

Wiesbaden (dpa) - Die Lebenserwartung in Deutschland wächst nur noch
langsam. Neugeborene Mädchen werden im Schnitt 83,3 Jahre alt,
neugeborene Jungen 78,5 Jahre, wie das Statistische Bundesamt am
Dienstag in Wiesbaden mitteilte. In der sogenannten Sterbetafel
2016/2018 erhöhte sich damit die Lebenserwartung für Männer und
Frauen um jeweils 0,1 Jahre im Vergleich zur letzten Erhebung von
2015/2017.

Dies entspricht zwar der durchschnittlichen jährlichen Veränderung
der vergangenen zehn Jahre. Allerdings beobachten die Statistiker
insgesamt einen Trend zu einem langsameren Anstieg. Denn bis zur
Sterbetafel 2006/2008 wuchs die Lebenserwartung Neugeborener
jahrzehntelang im jährlichen Schnitt um rund 0,2 Jahre (Mädchen)
beziehungsweise 0,3 Jahre (Jungen).

Woran liegt das? Die Entwicklung sei kaum verwunderlich, sagt Thomas
Lampert, Experte vom Robert-Koch-Institut. «Mittlerweile werden wir
doch sehr alt. Unser Organismus ist so programmiert, dass es nicht
immer so weitergehen kann.» Demografen hätten bereits vor 20, 30
Jahren ein Abflachen prognostiziert.

Es gibt aber auch ganz konkrete Gründe. So habe es in den 1990er
Jahren gerade im Osten ein Zugewinn an Lebenszeit gegeben. Durch die
Angleichung, etwa bei der medizinischen Versorgung nach
Schlaganfällen oder Herzinfarkten, sei die Lebenserwartung auf
West-Niveau gestiegen. «Diese Dynamik hat es in den vergangenen
Jahren nicht mehr gegeben», sagt Lampert. Eine weitere Ursache sei
die Grippewelle: «Wir hatten gerade in den letzten Jahren relativ
viele Grippetote, das wird immer etwas unterschätzt.»

Dramatisch ist die Situation laut dem RKI-Experten dagegen in den
USA: «Dort ist die Lebenserwartung in bestimmten Gruppen sogar
rückläufig.» Das könne auf Epidemien und soziale Ungleichheiten,
möglicherweise aber auch auf das neue massive Drogenproblem in den
USA zurückgeführt werden.

Nach Angaben des RKI liegt Deutschland europaweit im Mittelfeld. Die
höchste Lebenserwartung in Europa hätten weiterhin die Schweizer.

Wie alt wir werden, hängt laut der aktuellen Statistik auch vom
Bundesland ab, in dem wir leben. So haben Frauen in Baden-Württemberg
aktuell mit 84,1 Jahren sowie dort lebende Männer mit 79,7 Jahren
nach wie vor die höchste Lebenserwartung bei der Geburt. Die
niedrigsten Werte weisen weiterhin Frauen im Saarland (82,1 Jahre)
sowie Männer in Sachsen-Anhalt (76,3 Jahre) auf.

Die Zahlen des Bundesamts zeigen auch, dass sich die Lebenserwartung
von Männern und Frauen weiterhin unterscheidet, die Differenz aber
kleiner geworden ist. Lag sie 1996/1998 noch bei 6,2 Jahren sind es
zwanzig Jahre später nur noch 4,8 Jahre.