Mordprozess gegen mutmaßliche Sekten-Chefin - Junge qualvoll getötet

Das Schicksal eines Vierjährigen in Hanau hat viele erschüttert. Er
starb qualvoll in einen Sack eingeschnürt. Nun muss sich die
mutmaßliche Anführerin einer Sekte vor Gericht verantworten.

Hanau (dpa) - Mehr als 30 Jahre nach dem qualvollen Tod eines kleinen
Jungen in einer Hanauer Sekte kommt der rätselhafte Fall vor Gericht.
Am Dienstag (9.00 Uhr) beginnt am Landgericht Hanau der Mordprozess
gegen eine nun 72-jährige Deutsche, die als Anführerin der Gruppe
gilt. Sie soll den Vierjährigen, der in ihrer Obhut gestanden haben
soll, am 17. August 1988 in einen Leinensack eingeschnürt, im
Badezimmer abgelegt und ihn trotz panischer Schreie seinem Schicksal
überlassen haben. Die Angeklagte soll den Jungen laut Anklage als
«von den Dunklen besessen» angesehen haben. Deshalb habe sie
beschlossen, ihn zu töten. Der Junge sei nach einem «erbitterten
Todeskampf» gestorben. Vermutlich ist er erstickt.

Die Staatsanwaltschaft sieht das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllt.
Zudem habe die Frau aus niedrigen Beweggründen gehandelt. Neu
aufgerollt wurde der Fall im Frühjahr 2015 durch neue Aussagen von
ehemaligen Mitgliedern der Sekte. Der Rechtsanwalt der Angeklagten
hatte den Mordvorwurf stets bestritten.

Der Kriminologe und Psychologe Martin Rettenberger blickt gespannt
auf den Prozess: «Das ist eine besondere Konstellation, die nicht
häufig vorkommt», sagte der Direktor der Kriminologischen
Zentralstelle (Wiesbaden) der Deutschen Presse-Agentur. «Sekten
geraten immer wieder in den Fokus, wenn es um rituelle Gewalt geht.»
In den Gruppen würden Systeme und Strukturen aufgebaut, in denen
Personen benutzt oder ausgenutzt werden. Der Machtzuwachs über die
Gruppe sei die Triebfeder für die Anführer, die meist eine
guru-artige Stellung einnähmen.

Nach Einschätzung von Rettenberger gibt es eine wachsende Zahl von
Sekten in Deutschland, die aber nicht weiter auffielen. «Viele
Menschen sind auf der Suche nach Sinnstiftung und Spiritualität. Die
meisten Sekten sind allerdings harmlos. In ihnen ereignet sich meist
nichts Strafbares», beurteilte er nach eigenen Recherchen.

Zu Sekten in Deutschland sind Rettenberger nach eigenen Worten keine
Statistiken bekannt. «Das begründet sich schon dadurch, dass es keine
Definition von Sekten gibt. Wo verläuft die Grenze zwischen eine
Esoterikgruppe, die sich im Wohnzimmer trifft, und einer Sekte?» Nach
Rücksprache mit Vertretern christlicher Kirchen beobachtet
Rettenberger eine große Sensibilität fürs Thema: «Der Beratungsbeda
rf
steigt. Es gibt immer mehr Eltern, die sich informieren, damit ihre
Kinder nicht in zweifelhafte Gruppen geraten.» Zur Charakteristik der
Hanauer Sekte, in der der Vierjährige getötet wurde, machten Gericht
und Staatsanwaltschaft auf Anfrage keine Angaben.

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