Ermittler erzählen von der langen Jagd auf den Maskenmann Von Friedemann Kohler, dpa
Was haben TV-Ermittler mit der Realität zu tun? Fast nichts. Wie es
in Mordsachen wirklich zugeht, schildern ein Polizist, eine
Staatsanwältin und ein Gerichtsmediziner in einem spannenden neuen
Buch. Ein Fall hat sie viele Jahre in Atem gehalten.
Verden (dpa) - Regionalkrimis sind in Mode - nun also auch aus der
stillen Kreisstadt Verden in Niedersachsen? Nein. In dem Buch
«Wahrheit» geht es nicht um literarisch erzeugte Gänsehaut, sondern
um echte Mordfälle in und um Verden. Und es erzählen drei Menschen,
die unmittelbar an der Aufklärung beteiligt waren. Das sind der
Polizist Martin Erftenbeck und die Staatsanwältin Annette Marquardt
aus Verden sowie der Hamburger Gerichtsmediziner Klaus Püschel. Als
kriminalistisches Team haben die drei Autoren lange kooperiert.
Eine Auswahl der Fälle: Eine Polizistin verdrängt, dass sie schwanger
ist, und tötet das Neugeborene. Ein Arbeitsloser steigert sich so ins
Gekränktsein hinein, dass er den Chef der Arbeitsagentur ersticht.
Ein verschuldeter Gastronom sprengt sein eigenes Hotel in die Luft.
«Uns geht es darum, darzustellen, wie es tatsächlich ist», sagt
Staatsanwältin Marquardt der Deutschen Presse-Agentur. Schlicht und
realistisch, aber gerade deshalb eindrücklich berichten die drei vom
Alltag ihrer Ermittlungen. «Ziel des Buchs ist, die Arbeit etwas
transparenter zu machen», sagt auch der mittlerweile pensionierte
Kommissar Erftenbeck.
Teamarbeit ist angesagt, aber auch eine klare Rollenverteilung: Die
Polizei sucht, befragt, sichert Spuren, verfolgt Verdächtige. Die
Staatsanwaltschaft leitet das Verfahren und hat immer schon im Blick,
ob der Fall vor Gericht bestehen wird. Die Gerichtsmedizin prüft: Wie
starb das Opfer? Welche Verletzungen gibt es beim Täter? Püschels
Schilderungen aus den Obduktionen sind nichts für schwache Nerven.
Aber der Realismus des Buchs ist ein gutes Gegengift gegen die
herbeifantasierte Ermittler-Herrlichkeit vieler Krimis in Buch oder
Fernsehen. Marquardt gesteht ein, dass natürlich auch sie gern Krimis
lese. «Aber die Realität sieht eben komplett anders aus», sagt sie.
«Tote haben Recht(e)» ist der etwas sperrige Untertitel des Buchs.
«Unser Ziel ist, dass man sich für die Opfer einsetzt», sagt
Marquardt. Erst wenn feststeht, was ein Opfer erlitten hat, kann ihm
Gerechtigkeit widerfahren, weil der Täter angemessen bestraft wird.
«Der Erfolg der Ermittlungsbehörden bei Kapitaldelikten lebt im
Wesentlichen von der Hartnäckigkeit und dem Engagement der
Ermittler», heißt es im Buch. Das gilt besonders für die 20-jährige
Jagd nach dem Maskenmann, die Erftenbeck als Leiter einer
Sonderkommission erstmals so ausführlich schildert.
Ab 1992 dringt ein großer, maskierter Mann nachts immer wieder in
Internate, Jugendherbergen und Schullandheime in Norddeutschland ein.
Er missbraucht Jungen sexuell. 1992, 1995 und 2001 verschleppt und
tötet er drei Opfer sogar. Einer dieser Jungen wird in Dänemark
gefunden. Ein weiteres mögliches Opfer dieses Täters wird 2004 in
Frankreich getötet.
Über die Jahre gehen die Ermittler Tausenden Spuren nach, überprüfen,
Lehrer, Erzieher, aber auch Handelsvertreter mit bestimmten Autos.
Ein Fallanalytiker aus München erstellt ein Profil des Täters, nur
gefunden wird der Mann nicht. Erst durch TV-Fahndungen 2009 und 2011
gehen die entscheidenden Hinweise ein. Ein Jogger hat Jahre zuvor
einen Mann mit einem der Opfer gesehen. Und ein Junge berichtet vom
verdächtigen Verhalten eines Betreuers auf einer lange
zurückliegenden Ferienfreizeit. Der Maskenmann wird 2011 in Hamburg
festgenommen und ein Jahr später in Stade verurteilt.
Es sei selten, dass ein Kriminalbeamter so lange an einem Fall
arbeite, sagt Erftenbeck im Rückblick. Dem Ermittler wäre unwohl
gewesen, aus dem Dienst auszuscheiden, während dieser gefährliche
Serientäter noch frei herumläuft. Aber so sei es eine große
Erleichterung, sagt der 63-Jährige. «Man spricht ja von Ruhestand.
Das war wichtig, damit tatsächlich Ruhe einkehren kann.»
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