Vertrauen ausgenutzt - Falscher Notfallarzt verurteilt Von Birgitta von Gyldenfeldt, dpa

Im deutsch-dänischen Grenzgebiet war ein Mann jahrelang als
Notfallmediziner bei Veranstaltungen im Einsatz, ohne jemals Medizin
studiert zu haben. Jetzt wurde er verurteilt. Der falsche Mediziner
ist kein Einzelfall. Was kann man dagegen tun?

Flensburg (dpa) - Selbst die damalige Ehefrau wusste nicht, dass ihr
Mann kein Arzt ist: Ihr stellt sich ein heute 36-Jähriger beim
Kennenlernen 2009 als Medizinstudent vor. 2011 wurde der Mann von
einer Rettungsorganisation in Flensburg als ehrenamtlicher
Sanitätshelfer eingestellt. 2012 wurde ihm von der Organisation auf
seinen Antrag hin ein Dienstausweis als «Arzt» ausgestellt. Als
dieser war er bis 2017 bei Veranstaltungen überwiegend in Dänemark
und auch in Deutschland im Einsatz.

Am Dienstag wurde der Mann vom Amtsgericht Flensburg wegen des
unbefugten Führens von akademischen Titeln sowie der
Berufsbezeichnung Arzt zu einer Strafe von elf Monaten ausgesetzt auf
Bewährung verurteilt. Er flog durch Hinweise aus seinem privaten
Umfeld an die Polizei auf.

Der Angeklagte war unter anderem für Erstbehandlungen von
Verletzungen zuständig. Arbeiten an Patienten hat er nach Angaben von
Zeugen aber meist delegiert. Auch Medikamente hat er demnach nicht
verabreicht. Zudem hatte er immer erfahrene Mitarbeiter an seiner
Seite. Dennoch, es sei auch Glück gewesen, dass niemand zu Schaden
gekommen sei, sagte die Richterin.

Der Angeklagte hat nur einen Hauptschulabschluss und keine
abgeschlossene Berufsausbildung. An seiner Qualifikation zweifelte in
seinem Umfeld dennoch niemand, wie im Prozess deutlich wird. Laut
eines Intelligenztestes soll er einen IQ von 148 haben. Damit ist er
hochbegabt.

Der Mann ist kein Einzelfall. Zu den bekanntesten Hochstaplern im
Arztkittel gehört ein Postbote, der sich 1995 einen Oberarztposten in
einer Klinik in Zschadraß bei Leipzig mit gefälschten Zeugnissen
erschwindelt hatte. In den 1980er Jahren war derselbe Mann bereits in
Flensburg als Arzt aufgetreten. Im Juli dieses Jahres wurde in Kassel
ein falscher Arzt unter anderem wegen gewerbsmäßiger
Urkundenfälschung verurteilt.

Der jetzt in Flensburg verurteilte Mann musste nie eine gefälschte
Urkunde vorlegen - der Rettungsdienst stellte ihm den Dienstausweis
auch so aus, glaubte, dass er sein Studium abschloss, später noch
einen Doktortitel erwarb, ein Facharztausbildung zum Unfallchirurgen
sowie eine Weiterbildung zum Notfallmediziner absolvierte. All dies
wurde nie hinterfragt. «Sie haben sich ein Umfeld ausgesucht, wo
Arbeiten auf Vertrauen möglich war», sagte die Richterin. Und dieses
Vertrauen habe er, nachdem er es erworben hatte, ausgenutzt.

Der 36-Jährige war überwiegend in den Sommermonaten für die
Rettungsorganisation im Einsatz. Für die ehrenamtlichen Tätigkeiten
gab es eine Aufwandsentschädigung. Seiner Frau und auch bei der
Organisation erzählte er, dass er in Kiel als Unfallchirurg
arbeitete. Auch das zweifelte niemand an.

Wieso? Die Gesellschaft sei schlecht vorbereitet auf Betrüger, die
mit Charme und Einfühlungsfähigkeit das Vertrauen ihres Umfelds
gewinnen und missbrauchen, sagte Peter Walschburger, Professor für
Psychologie an der Freien Universität Berlin. Denn: «Vertrauen ist
der Kitt unserer sozialen Beziehungen», sagte der Psychologe. «Wir
werden dadurch allzu leicht zu Opfern. Denn wer überhaupt nicht
vertraut, sondern immer nur misstraut, der ist kaum fähig, in einem
sozialen Team erfolgreich zu arbeiten.»

Gerade weil Vertrauen so wichtig ist, sollten sich aber Prüfinstanzen
wie Arbeitgeber, Fachgremien oder Kammern nicht alleine von
persönlicher Sympathie und vom Charme des Gegenübers leiten lassen,
sagte Walschburger. Sie sollten vielmehr auch die Fakten so
sorgfältig prüfen, dass auch kleinste Zweifel ausgeräumt werden
können.

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