EU will stärker gegen Impfskepsis kämpfen - notfalls Impfpflicht

Die Zahl der Masernerkrankungen steigt weltweit, die Impfraten
sinken: die EU und die WHO wollen dagegen vorgehen. Der
EU-Gesundheitskommissar plädiert für drastische Maßnahmen.

Brüssel (dpa) - Sinkende Impfraten bedrohen das Leben von Kindern in
zahlreichen Ländern. «In Europa sterben Kinder an vermeidbaren
Krankheiten», sagte der Generaldirektorder der
Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, am
Donnerstag bei einem Impfgipfel in Brüssel. Alle Länder müssten
stärker gegen falsche Information und Impfskepsis kämpfen, so
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis plädierte für eine
Impfpflicht in Ländern mit sinkenden Impfraten. «Wenn man sich das
epidemiologische Bild anschaut und sieht, dass man keine Chance auf
einen raschen umfassenden Impfschutz hat, sollte man es verpflichtend
machen», sagte Andriukaitis der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.
Kinder hätten das Recht zu leben, das könne man nicht ignorieren.
«Wenn Eltern das nicht verstehen, müssen wir uns fragen, wer
Verantwortung übernimmt. Natürlich ist das Parlament verantwortlich
und die Regierung.»

Die WHO schlägt schon lange unter anderem wegen weltweit steigender
Masernfälle Alarm. In der Region Europa wurden im ersten Halbjahr
2019 rund 90 000 Fälle registriert. Das waren bereits mehr als die
84 462 Fälle im gesamten Jahr 2018.

Viel zu viele Menschen säßen dem Irrglauben auf, dass Impfstoffe
Krankheiten verursachen statt gegen sie vorzubeugen, sagte Juncker.
Auch der Irrglaube, dass Pharmafirmen aus Profitgier für Impfungen
werben, sei verbreitet. Dagegen müsse gekämpft werden. «Wir müssen

das Vertrauen in Impfungen wieder herstellen, und dabei müssen alle
mitmachen», sagte er.

«Impfungen sind eine der wichtigsten Erfindungen in der Geschichte
der Medizin», sagte WHO-Chef Tedros. Ein experimenteller
Ebola-Impfstoff helfe im Kongo gerade dabei, die Ausbreitung der
tödlichen Krankheit einzudämmen. Für Tests in Afrika gebe es jetzt
einen Impfstoff gegen Malaria.

Tedros forderte mehr Investitionen in neue Impfstoffe sowie mehr
Hilfsgelder, um Kinder auch in entlegenen Konflikt- oder
Katastrophengebieten mit lebensrettendem Impfstoff zu erreichen. «Die
Ärmsten und am stärksten Benachteiligten laufen die größte Gefahr,

leer auszugehen», sagte er. «Impfungen unterbrechen einen
Teufelskreis, der Kinder in Armut gefangen hält.»