«Wir müssen suizidgefährdete Menschen besser verstehen»

München/Wiesbaden/Kempten (dpa/lby) - Trotz vorheriger
Suizidankündigungen greift das Umfeld in vielen Fällen nicht
rechtzeitig ein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des
Bezirkskrankenhauses Kempten. Insgesamt werteten Ärzte und
Wissenschaftler mehr als 600 Akten über Suizide in der Allgäuer
Region aus. Bei knapp der Hälfte der Fälle gab es zuvor Hinweise auf

einen Selbstmord.

«Aus den Akten kann man oft direkt, aber meist eher zwischen den
Zeilen eine Hilflosigkeit des Umfeldes herauslesen», heißt es in der
Untersuchung, in der Suizidfälle von 2001 bis 2009 analysiert
wurden. «Die Angehörigen, Freunde, Kollegen etc. wussten einfach
nicht, wie sie damit umgehen sollten oder wo sie sich professionelle
Hilfe holen konnten.» 

Es gelte, suizidgefährdete Menschen besser zu verstehen, sagte Peter
Brieger. Der ehemalige ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses

Kempten veranlasste die Untersuchung wegen der relativ hohen
Suizidzahlen in Teilen des bayerischen Allgäus.

In keinem Bundesland ist die absolute Zahl der Suizide so hoch wie in
Bayern. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden
nahmen sich im Jahr 2017 insgesamt 1597 Menschen im Freistaat das
Leben - das sind noch 85 mehr als im bevölkerungsreichsten Bundesland
Nordrhein-Westfalen. Bundesweit lag die Zahl der Suizide 2017 bei
9241. In Deutschland sterben in jedem Jahr mehr Menschen durch Suizid
als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen.