Erste Muttermilchbank Hessens eröffnet: Hilfe für Frühchen Von Sandra Tauner, dpa

Fast 800 Frühchen unter 1500 Gramm kommen jährlich in Hessen zur
Welt. Sie könnten von Muttermilch profitieren, die andere Frauen
spenden. An der Bereitschaft der Frauen mangelt es nicht. Bis zur
flächendeckenden Versorgung wird es aber noch dauern.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Es sind winzige Mengen, aber sie helfen
den allerkleinsten Babys beim Start ins Leben: In Frankfurt hat die
erste Frauenmilchbank Hessens ihre Arbeit aufgenommen. Gespendete
Muttermilch hilft zu früh geborenen Kindern, sich besser zu
entwickeln. Langfristig soll das Projekt auf ganz Hessen ausgeweitet
werden.

Das Projekt ist eine Kooperation zwischen DRK-Blutspendedienst und
Universitätsklinikum Frankfurt - diese Art der Zusammenarbeit ist
europaweit einmalig. Nicht aber die Idee als solche: Bundesweit gibt
es bereits 23 Muttermilchbanken, Hessen gehört zu den Nachzüglern.
Bisher profitieren zudem nur Frankfurter Frühchen von der neuen
Einrichtung, die am Montag als «großartiges Projekt» der
Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Veronika Brixner leitet die Einrichtung, die Fachärztin für
Transfusionsmedizin hat selbst ein Frühchen geboren. Sie erklärt, wie
die Milchbank funktioniert: Ärzte auf der Frühgeborenenstation der
Frankfurter Uniklinik sprechen potenzielle Spenderinnen an. Die
Teilnehmerinnen werden registriert, ein Bluttest überprüft ihre
Gesundheit. Die Frauen bekommen voretikettierte Fläschen für ihre
überschüssige Milch, befüllen sie und frieren sie ein.

Beim Blutspendedienst ein paar Häuser weiter werden die Fläschen
später aufgetaut. Um Schwankungen auszugleichen, werden mehrere
Spenden einer Frau gemischt und neu portioniert. Die Chargen werden
pasteurisiert, um Keime abzutöten. Am Ende werden die Fläschchen
etikettiert, damit jede Spende zurückverfolgbar ist. In einem
Kühlschrank warten sie dann auf ihre Empfänger.

Die erste Spende wurde am 15. Juni an ein Frühchen in der Uniklinik
abgegeben. Seither haben fünf Frauen, die zuvor selbst Frühchen
geboren hatten, Milch gespendet. Sechs neugeborene Frühchen wurden
mit den Spenden versorgt. Dass es bisher so wenige sind, liege nicht
an der mangelnden Spendebereitschaft der Frauen, sagt Neonatologe
Prof. Rolf Schlößer: «Uns erreichen jeden Tag mehrere Anfragen.» Ma
n
wolle aber zunächst mit wenigen Spenderinnen und Empfänger-Frühchen
Erfahrungen sammeln.

Bis zur flächendeckenden Versorgung in Hessen ist es ein weiter Weg:
781 Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm wurden 2018 in
Hessen geboren. Allein um die Frühchen der Frankfurter Uniklinik zu
versorgen, bräuchte man 60 Spenderinnen pro Jahr, schätzt Schlößer.

Frühestens in einem Jahr sollen andere Kliniken in Hessen dazukommen.
Zur Versorgung reif geborener Kinder soll die Spendermilch auch
später nicht genutzt werden.

Muttermilch sei gerade für Frühchen wichtig, sagt Prof. Thomas
Klingebiel, Direktor der Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik.
Industriell hergestellte Nahrung sei für sie «nicht ideal».
Muttermilch sei für den nicht ausgereiften Magen-Darm-Trakt besser
verträglich, kalorienreicher und beuge Krankheiten vor. Aber nicht
alle Frühchen-Mütter haben sofort genug Milch. Die Spendensollen
helfen, diese Zeit zu überbrücken. Dafür reichen laut Klingebiel
winzige Mengen, aber die seien wichtig: «Muttermilch hilft Frühchen,
besser zurechtzukommen, ein wahres Leben-Mittel.»

Als Lebensmittel gilt Muttermilch tatsächlich - nicht als
Arzneimittel oder Medizinprodukt. Daher war der Aufbau der
Frauenmilchbank für den Blutspendedienst dann doch nicht so einfach,
wie Direktor Prof. Erhard Seifried berichtet. Fläschchen statt
Beutel, Lebensmittelrecht statt Transfusionsgesetz - das Verfahren
aber sei «eins zu eins» das von Blutspenden «und die
Frauenmilchspende unterliegt den gleichen strengen Kriterien».

Weil dafür neue technische Ausstattung angeschafft werden musste,
sprangen zwei Stiftungen in die Bresche. Sie unterstützten den
Projektstart mit zusammen 110 000 Euro. Kein Geld erhalten die
Mütter, die Milch spenden. Man wolle «keine falsche Motivation
fördern» und riskieren, dass Mütter ihren eigenen Kindern Milch
vorenthalten, um an den Spenden zu verdienen, sagt Seifried.