Gesundheits-Apps bald auf Rezept Von Sascha Meyer, dpa

In vielen Praxen stehen noch Faxgeräte. Die Regierung will deshalb
Tempo machen, um einen Durchbruch zur Digitalisierung zu schaffen -
mit konkreten Anwendungen für Patienten. Doch es gibt Tücken.

Berlin (dpa) - Gesundheits-Apps auf Rezept, leichtere Informationen
zu Ärzten mit Videosprechstunden, weniger Papier in den Praxen: Neue
digitale Angebote sollen für Patienten voraussichtlich ab kommendem
Jahr breit zu nutzen sein. Das Bundeskabinett hat dafür am Mittwoch
einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den
Weg gebracht, der auch die Branche zum Mitziehen verpflichtet.
Konkrete Festlegungen zu elektronischen Patientenakten, die bis 2021
als freiwilliges Angebot kommen sollen, wurden vorerst ausgeklammert.
Sie sollen nun demnächst separat geregelt werden.

Spahn sagte, die Chancen der Digitalisierung sollten genutzt werden,
damit Patienten Verbesserungen im Alltag spürten - und die Arbeit für
Ärzte einfacher werde. «Der Patient von morgen wird immer noch einen
Arzt brauchen.» Er werde aber keinen Arzt mehr nehmen, der nur noch
mit Karteikarten arbeite. Nach jahrelangem Gezerre um zusätzliche
Funktionen für die elektronische Gesundheitskarte will der Minister
mit einem «Digitalisierungsgesetz» nun weiter Tempo machen. In Kraft
treten soll es im Januar 2020, zustimmungspflichtig im Bundesrat ist
es nicht. Vorgesehen sind mehrere digitale Bausteine:

GESUNDHEITS-APPS: Bestimmte Apps fürs Handy sollen Patienten von der
Kasse bezahlt bekommen - wenn ihr Arzt sie verschreibt. Dabei geht es
etwa um Anwendungen, die beim regelmäßigen Einnehmen von Medikamenten
helfen, digitale Tagebücher für Diabetiker oder unterstützende Apps
bei Migräne und Schwangerschaften. Dafür soll eine rasche Zulassung
über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
kommen, das eine erste Prüfung zu Qualität und Datenschutz macht. Für

ein Jahr tragen die Kassen die Kosten, App-Anbieter müssen in dieser
Frist dann auch den Nachweis einer besseren Versorgung liefern. Die
Linke warnte vor einer «Goldgrube» für IT-Firmen. Bei Apps sei erst
die Spreu vom Weizen zu trennen, bevor sie in die Anwendung kämen.

TELEMEDIZIN: Vor gut einem Jahr hatte die Ärzteschaft das Berufsrecht
weiter für Fernbehandlungen über digitale Technik geöffnet. Künftig

sollen Patienten nun auch leichter Praxen ausfindig machen können,
die Videosprechstunden anbieten. Darüber sollen Mediziner auf ihrer
Internetseite informieren können. Einwilligungen und eine Aufklärung
der Patienten sollen auch im Rahmen der Videosprechstunde möglich
werden und nicht mehr nur persönlich vor Ort oder schriftlich.

DATENAUTOBAHN: Ein neuralgischer Punkt ist weiterhin der stockende
Aufbau einer Datenautobahn, die einmal alle Gesundheitsakteure mit
hohen Sicherheitsvorkehrungen vernetzen soll. Neben den Arztpraxen
sollen nun die Apotheken verpflichtet werden, sich bis Ende September
2020 anzuschließen und Krankenhäuser bis Januar 2021. Hebammen und
Physiotherapeuten sollen es freiwillig tun können. Weiter erhöht wird
demnach auch der Druck auf hartnäckige «Offliner». In Kürze dürft
en
zwei Drittel der knapp 180 000 Praxen von Ärzten und Zahnärzten
angeschlossen sein. Den übrigen stehen bereits Honorarkürzungen von
einem Prozent ins Haus - ab März 2020 sollen es 2,5 Prozent sein.

WENIGER PAPIER: Alte Druckermodelle und Faxgeräte halten sich
beharrlich in vielen Praxen. Es gelte, Zettelwirtschaft mit teils
unnötigen Verzögerungen zu beenden, argumentierte Spahn. Damit Ärzte

mehr Befunde elektronisch verschicken, soll es auch eine höhere
Vergütung von der Kasse dafür geben - und für den Faxversand deutlich

weniger Geld als die bisher üblichen 55 Cent. Erleichtert werden soll
auch der fachliche Austausch unter Arztkollegen auf digitalem Weg.

E-PATIENTENAKTE: Digitale Akten sollen nicht nur angeboten, sondern
auch mit Inhalten bestückt werden. Ursprünglich geplante Regelungen
dazu lagert Spahn nun aber in ein eigenes «Datenschutzgesetz» aus,
das in Abstimmung mit dem Justizministerium wohl im Herbst vorgelegt
werden soll. Der Zeitplan für die Akte bis 2021 gelte aber, betonte
er. Die Grünen warnten vor einer «nutzlosen Attrappe». Die
Techniker-Krankenkasse mahnte, den Start nicht auf die lange Bank zu
schieben. Die Verbraucherzentralen begrüßten es, dass der Minister
auf Bedenken eingehe und nachbessere. Das werde die Akzeptanz der
Akte erhöhen, erklärten sie. Der Digitalbranchen-Verband Bitkom
appellierte an alle Beteiligten, an einem Strang ziehen, um die neuen
Angebote verfügbar zu machen.