Tele-Mediziner hilft bei Notfällen auf Halligen Von Wolfgang Runge, dpa

Im Notfall muss es auf den nordfriesischen Halligen auch ohne einen
Arzt am Ort gehen. Für die medizinische Versorgung ist zumindest auf
drei der kleinen Inseln jetzt mehr «Land in Sicht».

Hooge/Kiel (dpa/lno) - Wenn auf dem Festland ein Notarzt gebraucht
wird, wählt man die 112. Auf den nordfriesischen Halligen im
Wattenmeer funktioniert das nicht. Dort gibt es keinen Notarzt. Nur
einen Rettungssanitäter. Was das bedeutet, hat Hooges ehemaliger
Bürgermeister am eigenen Leib erfahren. An einem Freitagmorgen im
Oktober 2015 alarmierte er den Hallig-Sanitäter: Verdacht auf
Herzinfarkt. Der Notruf ging gegen 9.30 Uhr raus.

Wegen dichten Nebels konnte der Rettungshubschrauber jedoch nicht
starten. Deshalb wurde von der Insel Amrum ein Schiff geschickt, um
den damals 60-Jährigen zum Festland zu bringen. Im Hafen von Dagebüll
wartete schon die Feuerwehr, um den Patienten vom Schiff abzuseilen.
Als Matthias Piepgras nach eigener Darstellung nach mehr als fünf
Stunden in der Klinik ankam, zeigte das EKG, dass es kein Herzinfarkt
gewesen sei, berichtete er damals dem «Flensburger Tageblatt».

Zumindest auf den Halligen Hooge, Langeneß und Oland gibt es jetzt
Verbesserungen. Bei Herzinfarkt oder anderen Notfällen soll
schnellere ärztliche Hilfe möglich werden - dank des Internets. Seit
dem 1. Juli ist die Telemedizin im Einsatz. In dem vom Kieler
Gesundheitsministerium mit 750 000 Euro geförderten Projekt
«HALLIGeMED» wird der Sanitäter vor Ort bei seiner ersten
Einschätzung und -versorgung durch Notfallmediziner in Kiel
unterstützt und angeleitet, wie UKSH-Sprecher Oliver Grieve sagte.
Der Arzt kann den Patienten per Video befragen und anschauen und dem
Sanitäter sagen, welche medizinischen Maßnahmen er durchführen und
welche Medikamente er geben soll.

«Wenn künftig ein Patient mit Brustschmerz in die
Krankenpflegestation auf Hooge kommt, kann der Krankenpfleger ein EKG
machen, das er an die Uniklinik weiterleitet. Wenn es ein typisches
Herzinfarkt-EKG ist, können wir das schnell erkennen und sofort
vorbereitende Maßnahmen einleiten», sagte Projektleiter Niels Renzing
vom Kieler Institut für Rettungs- und Notfallmedizin (IRUN). Laut
Grieve wurde in einer Testphase im Frühjahr bereits ein breites
Spektrum an notfallmedizinischen Erkrankungen behandelt: unter
anderem Verletzungen nach einem Fahrradsturz, Brustschmerzen,
Herzinfarkte und Herzrhythmusstörungen.

Grundvoraussetzung für die Telemedizin ist eine flächendeckende und
leistungsstarke Netzabdeckung. «Die vor Ort eingesetzten Systeme
enthalten drei SIM-Karten zur Kompensation von Netzproblemen», sagte
der UKSH-Sprecher. Die dreijährige Testphase sei auf die drei
Halligen beschränkt, weil auf den anderen kein medizinisches
Fachpersonal dauerhaft tätig ist, ergänzte Grieve.