Alternativer Drogen- und Suchtbericht: Drug-Checking sinnvoll

Für die einen ist der geplante Berliner Drogencheck für das Partyvolk
ein Vorbild, für die anderen eine Kapitulation. Was sagen Experten?

Berlin (dpa/bb) - Der geplante Check von Partydrogen in Berlin ist
laut dem Alternativen Drogen- und Suchtbericht ein Vorbild für ganz
Deutschland. «Wir hätten uns eine Initiative des Bundes dazu
gewünscht und nicht, dass Berlin diesen Weg Schritt für Schritt
allein gehen muss», sagte Bernd Werse, Vorstandsmitglied der
Europäischen Gesellschaft für Drogenforschung, am Freitag bei der
Vorstellung des Berichts in Berlin. Beim sogenannten Drug-Checking
können Partygänger Drogen mit etwas Vorlauf vor dem Konsum anonym und
straffrei auf Reinheit und Dosierung testen lassen. Das geplante
Angebot soll dabei helfen, Drogentote zu verhindern.

Der Bericht, der unter anderem von der Deutschen Aidshilfe
herausgegeben wurde, kritisiert eine «zwiegespaltene» Drogenpolitik
in Deutschland. Alkohol und Tabak würden relativ lasch behandelt,
während bereits der geringe Konsum illegaler Substanzen wie Cannabis
einer Strafverfolgung unterlägen, sagte Heino Stöver,
geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung in
Frankfurt/Main. Andere europäische Länder wie zum Beispiel Portugal
hätten gute Erfahrungen mit einer Entkriminalisierung von Cannabis
gemacht. Vorteile böte straffreier Konsum auch für die
Personalressourcen von Polizei und Justiz, ergänzte Werse.

Darüber gehen die Meinungen aber weit auseinander - vor allem in
Berlin. «Cannabiskonsum darf nicht verharmlost werden. THC schädigt
insbesondere Heranwachsende massiv», sagte der CDU-Landesvorsitzende
Kai Wegner. Auch mit dem so genannten Drug-Checking beschreite der
rot-rot-grüne Senat einen Irrweg. «Hier wird der Missbrauch illegaler
und sehr gefährlicher Substanzen normalisiert.» Berlin dürfe nicht
zum Mekka der Dealer und Junkies werden. «Wir brauchen eine
konsequente Anti-Drogen-Politik statt eine Kapitulation vor den
Verhältnissen.»

Für das geplante Drug-Checking gebe es noch Luft nach oben, sagt
Heino Stöver. So sei es zum Beispiel in Österreich möglich, Drogen
anonym direkt auf Partys analysieren zu lassen - und dieses Verfahren
mit Beratung zu verbinden. In Berlin ist für Partygänger ein längerer

Vorlauf geplant. Dass auch dieses Angebot genutzt würde, ist für
Werse realistisch. Das zeigten Erfahrungen aus der Schweiz und den
Niederlanden. Ein Berliner Gutachten kam zuletzt zu dem Schluss, dass
das Drug-Checking-Konzept für die Hauptstadt legal ist. Einen
Starttermin gibt es noch nicht. In anderen Bundesländern seien Ideen
zu Drug-Checking bisher an rechtlichen Hürden gescheitert.

Flächendeckend fehlten in Deutschland Drogenkonsumräume, kritisiert
der alternative Bericht. Es gebe sie neben Berlin bisher nur in sechs
Bundesländern, sagte Werse. Die Angebote, bei denen Drogengebraucher
illegalen Stoff unter hygienischen Bedingungen nehmen und auf Wunsch
auch eine Drogenberatung bekommen können, seien aber kaum vernetzt.
So werde ein Datenaustausch über Substanzen, Konsumformen und Alter
der Konsumenten erschwert - und damit auch passgenaue Prävention.

Am Konsum illegaler Stoffe starben nach Angaben der
Drogenbeauftragten der Bundesregierung im vergangenen Jahr 1276
Menschen - vier mehr als 2017. Hauptursache waren weiterhin
Vergiftungen durch Opioide wie Heroin. In Berlin starben im
vergangenen Jahr 191 Menschen nachweislich an Folgen ihres
Rauschmittelkonsums, 23 mehr als 2017. Damit hat die Zahl der
Drogentoten in Berlin in den vergangenen Jahren wieder deutlich
zugenommen. Der niedrigste Wert seit 2008 lag im Jahr 2012 bei 113
Toten. 2015 waren es 153.

Ziel des alternativen Berichts, der zum sechsten Mal erschien, sei
es, das emotional aufgeladene Thema Drogenpolitik zu versachlichen,
sagte Stöver. Er forderte auf Bundesebene eine parteienunabhängige
Kommission.