Bessere Früherkennung soll Nierenpatienten vor der Dialyse bewahren

Nierenerkrankungen bleiben häufig lange unentdeckt, weil sie anfangs
oft keine Beschwerden verursachen. Bei chronischem Verlauf droht der
Totalausfall des Organs. Vor zehn Jahren startete in Sachsen-Anhalt
ein spezielles Versorgungsprogramm.

Köthen (dpa/sa) - Rund 2800 chronisch nierenkranke Sachsen-Anhalter
sind auf eine Dialyse angewiesen und müssen dreimal wöchentlich vier
bis fünf Stunden zur Blutwäsche. «Durch Früherkennung und
rechtzeitige Behandlung kann diese Belastung vielen Patienten erspart
werden», sagte der Vorsitzende des Vereins Niedergelassener
Nephrologen (Nierenärzte) Sachsen-Anhalt, Jörg-Detlev Lippert. Ein
landesweites Projekt trägt dazu bei.

Sachsen-Anhalt verzeichne im Bundesvergleich zwar eine
überdurchschnittlich hohe Quote von Nierenerkrankungen. Das habe
sowohl demografische (hoher Altersdurchschnitt), als auch soziale
(ungesunde Lebensweise) Ursachen, erläutert Lippert. Umso
erfreulicher sei es, dass die Zahl der Niereninsuffizienzen im
Gegensatz zum Bundestrend sinke. Durch rechtzeitige Erkennung und
gezielte Behandlung könne das Organversagen vermieden oder zumindest
herausgezögert werden. Das bringe nicht nur mehr Lebensqualität für
die Betroffenen, sondern spare dem Gesundheitssystem bares Geld. Eine
Dialysebehandlung koste die Krankenkassen bis zu 50 000 Euro pro
Jahr.

Vor zehn Jahren starteten der Nephrologenverein und die
Kassenärztliche Vereinigung (KV) gemeinsam mit der die AOK
Sachsen-Anhalt ein Versorgungsprogramm, an dem landesweit alle
niedergelassenen Nephrologen teilnehmen - das sind 68 Ärzte in 29
Facharztpraxen. Hausärztliche und fachärztliche Versorgung werden
dabei enger verzahnt. Besonders Risikogruppen wie Diabetiker,
Bluthochdruck- oder Herz-Kreislauf-Erkrankte stehen besonders im
Fokus.

Diese Strategie funktioniere gut, berichtete Andreas Goldmann,
Referent für strategische Versorgungsplanung bei der AOK
Sachsen-Anhalt. Mehr als 18 000 AOK-Versicherte profitierten davon.
Die Zahl der Dialysepatienten aus dem Bereich der AOK-Versicherten
sei im Projektzeitraum von 1867 im Jahr 2010 auf 1620 im Jahr 2017
gesunken. Allein 2018 sei in mehr als 2500 Fällen eine
Niereninsuffizienz bereits im Frühstadium erkannt worden.

Auch andere Krankenkassen haben das Thema im Blick. «Die Versorgung
von Nierenpatienten ist über die Regelversorgung gut abgedeckt»,
sagte Barmer-Pressesprecher Christopher Kissmann. «Dabei schauen wir
regelmäßig, wie diese Regelversorgung verbessert werden kann.» Seit
2013 gebe es in Niedersachsen ein Pilotprojekt mit der
Kassenärztlichen Vereinigung unter Einbindung des nephrologischen
Regionalverbundes Niedersachsen, das eine frühzeitige, engmaschige
Betreuung von Nierenpatienten zum Ziel habe. «Wenn das Projekt
evaluiert worden ist, wird die Barmer prüfen, welche Leistungen
bundesweit in die Regelversorgung übernommen werden können», sagte
Kissmann.

Bundesweit warten 7500 Patienten laut Deutscher Stiftung für
Organtransplantation auf eine Nierentransplantation. Im Jahr 2018
wurden in Deutschland knapp 2300 Nieren übertragen.