Schmerzhaft lebendig: Auf den Spuren der deutschen Kolonialzeit Von Jürgen Bätz, Jörn Petring und Michael Fischer, dpa
Vor 100 Jahren endete die deutsche Kolonialherrschaft in Asien, in
der Südsee und in Afrika. Sie dauerte nur gut drei Jahrzehnte, hat
aber Wunden hinterlassen, die bis heute noch nicht verheilt sind.
Eine Spurensuche in China, Namibia - und Berlin.
Windhuk/Okahandja/Qingdao/Berlin (dpa) - Die Grabsteine der
kaiserlichen Soldaten stehen poliert in Reih und Glied: «Reiter Emil
Büttner», «Gefreiter Rudolf Kux», «Unteroffizier Flori Martini»
und
viele andere Deutsche sind der Stadt Okahandja nördlich von Namibias
Hauptstadt Windhuk begraben. Sie kamen 1904 während des Aufstands des
Hererovolks und ihres Afrika-Einsatzes ums Leben. Rund 100 Gräber
schmiegen sich würdevoll an die von Missionaren gegründete
lutherische Kirche. Im Hinterhof der Kirche liegen zusammengedrängt
die Gräber der wichtigsten Herero-Anführer. Deren staubiger Friedhof
ist mit Stacheldraht abgegrenzt und kaum 50 Quadratmeter groß.
Die Kirche von Okahandja ist bis heute ein Spiegelbild der
Herrschaftsverhältnisse, wie sie zur deutschen Kolonialzeit zwischen
1884 und 1915 im damaligen Deutsch-Südwestafrika waren. Die Herero,
deren Vorfahren zu Zehntausenden von deutschen Truppen umgebracht
wurden, niedergemetzelt, die in der Wüste verdurstet oder an
Entkräftung gestorben sind, kommen trotzdem gerne hierher. «Für uns
ist es wie ein heiliger Ort», erklärt der 82-jährige Aktivist Festus
Ueripaka Muundjua. Die Gräber der Häuptlinge stünden auch
stellvertretend für die Herero, die getötet wurden oder auf der
Flucht starben, aber kein Grab bekommen haben.
Für den Besuch bei den Ahnen tragen die meisten Herero ihre Tracht,
die ebenfalls ein Testament der kolonialen Vergangenheit ist: Bei den
Frauen sind es ausladende viktorianisch anmutende Kleider. Die Herero
- traditionell ein Volk von Rinderhirten - passten die Tracht etwa
mit einem sperrigen Hut an, dessen Form an Rinderhörner erinnern
soll. Die Männer wiederum tragen Uniformen, die an die kaiserliche
«Schutztruppe» erinnern.
Kein anderes Land wurde so nachhaltig kolonisiert wie Namibia und in
keinem anderen der ehemals deutschen Gebiete zwischen Ostasien und
Südwestafrika ist die deutsche Kolonialvergangenheit noch heute so
lebendig wie hier. Am 28. Juni jährt sich das offizielle Ende der
deutschen Kolonialzeit zum 100. Mal. Besiegelt wurde es nach der
Niederlage des Deutschen Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg mit der
Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags. Dort heißt es in
Artikel 119: «Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und
assoziierten Hauptmächte auf alle seine Rechte und Ansprüche
bezüglich seiner überseeischen Besitzungen.»
«ES WAR EIN VÖLKERMORD»
Die Denkmäler zu Ehren deutscher Soldaten sind in Namibia trotzdem
bis heute stehen geblieben. Im Zentrum der Hauptstadt Windhuk etwa
wird an einer von den Deutschen errichteten Feste den «gefallenen
Kameraden der kaiserlichen Schutztruppe» gedacht. Zweihundert Meter
weiter in einem Park steht - umrahmt von blühenden Bougainvillea -
ein Denkmal, das den «Helden» gewidmet ist, die 1893 und 1894 im
Kampf gegen den Witbooi-Stamm ums Leben kamen.
Das Kaiserreich ging skrupellos vor, um seine Herrschaft zu festigen.
Widerstand wurde brutal niedergeschlagen. Experten schätzen, dass von
1904 bis 1908 rund 65 000 von 80 000 Herero und mindestens 10 000 von
20 000 Nama getötet wurden. Historiker sehen darin den ersten
Völkermord des 20. Jahrhunderts. In Deutschland gerieten die
Gräueltaten nach dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg in
Vergessenheit. Doch für die Herero und Nama gibt es kein Vergessen.
«Die Deutschen haben uns das Land geraubt, sie haben alle getötet,
sie haben unsere Mütter vergewaltigt», klagt Nama-Aktivistin Ida
Hoffmann. «Es war ein Völkermord. Sie haben uns alles genommen,
inklusive unserer Würde», sagt die 72-jährige Parlamentsabgeordnete.
Die Nama seien heute infolge des Gemetzels eine dezimierte und
verarmte Minderheit. «Es fehlt uns an Infrastruktur, Bildung und
Jobs. Es ist die Verantwortung der Deutschen, uns zu helfen», fordert
sie.
Im Zuge der Kämpfe gegen Herero und Nama errichteten die Deutschen
auch erstmals Konzentrationslager. In Windhuk wurde gleich neben dem
Lager die protestantische Christuskirche erbaut, die heute zu den
wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt. In dem Gotteshaus
wird immer noch der kaiserlichen Soldaten gedacht: Ohne historische
Einordnung listet dort eine schätzungsweise acht Meter breite Tafel
die Namen Hunderter gefallener Soldaten auf.
«BISMARCKSTRASSE» UND «SCHANZENWEG»
In Windhuk - einst von deutschen Kolonialherren gegründet - liest man
auf Straßenschildern immer noch «Bismarckstraße» und «Schanzenweg
».
Erst langsam beginnt ein Umdenken. Der zentrale «Ausspannplatz» wurde
2018 umbenannt, kürzlich die «Lazarettstraße». Der Komponist Johann
Sebastian Bach musste als Namensgeber «Häuptling Riruako» weichen.
Die Kolonialzeit und die vielen Deutschen, die in den darauffolgenden
Jahrzehnten nach Namibia emigrierten, haben das Land vielfältig
geprägt. In der Hafenstadt Swakopmund sieht man überall deutsche
Kolonialbauten. Namibias Bier «Windhuk» wird streng nach deutschem
Reinheitsgebot gebraut, in den Geschäften sind vor Ort hergestellte
Landjäger und Schwarzwälder Schinken erhältlich. Beim Bestellen von
Semmeln an der Brottheke sagen viele Namibier «Brötchen». Es gibt
deutsche Radiosendungen und die ebenfalls deutschsprachige
«Allgemeine Zeitung».
Die Deutsch-Namibier haben viel dazu beigetragen, dass Namibia heute
zu den wohlhabendsten und meist entwickelten Ländern Afrikas gehört.
Schätzungen zufolge ist Deutsch indes nur noch für rund 14 000
Namibier die Muttersprache - es handelt sich allerdings um eine sehr
einflussreiche Minderheit, die zusammenhält. Deutsch-Namibiern
gehören zahlreiche Großfarmen und Unternehmen. Viele von ihnen haben
die Deutsche Schule in Windhuk besucht, die als beste Privatschule
gilt. Der deutschstämmige Sven Thieme etwa ist Vorsitzender der
Handelskammer und leitet das größte Privatunternehmen. Selbst das
Finanzministerium ist in der Hand eines Deutsch-Namibiers: Dort hat
Minister Calle Schlettwein das Sagen.
Dass sich in Namibia ein starker deutscher Einfluss gehalten hat, hat
auch mit Namibias Geschichte im 20. Jahrhundert zu tun. Kurz nach
Beginn des Ersten Weltkriegs übernahmen Südafrikas Truppen, die mit
Großbritannien verbündet waren, die Macht von den Deutschen. Sie
betrachteten Namibia forthin als Teil Südafrikas und führten ihre
rassistische Politik der Apartheid ein. Für die schwarze
Bevölkerungsmehrheit hatten sie nur Verachtung übrig, die ebenfalls
weißen Deutschen waren mit der Zeit jedoch wohlgelitten. Der
rassistische Spuk war mit der Unabhängigkeit Namibias 1990 vorbei.
Erst danach begannen die Nachkommen der Opfer der deutschen
Gräueltaten Anerkennung für das Leiden ihrer Stämme einzufordern.
HILFE STATT ENTSCHÄDIGUNG
Die Bundesregierung hat den Begriff «Völkermord» jahrzehntelang
vermieden, auch um Entschädigungsforderungen zu blockieren. Erst 2015
rang sich Berlin durch, überhaupt von einem Völkermord zu sprechen.
Seither laufen mühsame Verhandlungen zwischen Deutschland und
Namibia. Berlin bietet dem Vernehmen nach eine Entschuldigung von
höchster Stelle und mehr Geld für Hilfsprojekte an. Eine direkte
Wiedergutmachung für die Nachkommen, sogenannte Reparationen, lehnt
Deutschland ab.
Es ist jedoch bislang ungewiss, ob die Nachkommen das Ergebnis der
Verhandlungen akzeptieren werden. Die Herero und Nama lehnen diese
ab, weil sie nicht direkt daran beteiligt sind. Sie misstrauen der
Regierung in Windhuk, die von der Volksgruppe der Ovambo dominiert
wird. Berlin wiederum verweist darauf, man könne nur mit der
Regierung verhandeln, nicht direkt mit einer Volksgruppe. Herero und
Nama klagen daher inzwischen auch in New York gegen Deutschland.
Herero-Aktivist Muundjua betont, nur direkte Gespräche könnten zum
Ziel führen. «Im Krankheitsfall heilt man auch den Patienten, nicht
einen Stellvertreter.» Nama und Herero sagen nicht, welche Summen
ihnen bei den Reparationen vorschweben. Neben Geld wollen sie
Hilfsprojekte, Infrastrukturvorhaben und bessere Schulen, um der
nächsten Generation ihres Volkes bessere Chancen zu eröffnen.
«Deutschland sollte dafür zahlen, dass viele Herero und Nama dort zum
Beispiel als Ärzte oder Ingenieure ausgebildet werden», fordert
Aktivistin Esther Utjiua Muinjangue. Die 57-Jährige ist Vorsitzende
der Herero-nahen Partei Nudo. Muundjua wiederum warnt, die Geduld der
Nachkommen beim Warten auf Wiedergutmachung könnte endlich sein.
«Momentan ist alles friedlich zwischen Hereros und Deutschen. Aber es
gibt keine Garantie, dass das immer so bleiben wird.»
Die Bundesregierung hat lange argumentiert, dass Deutschland sich
seiner historischen Verantwortung bewusst sei und Namibia daher pro
Kopf so viel Hilfsgelder erhalte wie nur wenige andere Länder. Weil
im dünn besiedelten Namibia allerdings nur rund 2,5 Millionen
Menschen leben, machten die Hilfsgelder seit 2013 im Schnitt nur rund
50 Millionen Euro pro Jahr aus.
Bedarf für Hilfsprojekte gibt es in Namibia genug. Die Kluft zwischen
Arm und Reich - und das heißt zumeist zwischen Schwarzen und Weißen -
ist in Folge von Kolonialherrschaft und Apartheid-Politik immer noch
dramatisch. Momentan finanziert Deutschland in Namibia unter anderem
energiesparende Neubauten, die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur
sowie Sportplätze für Schulen und Lehrerfortbildungen.
Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) etwa
finanziert in Windhuks Armenviertel Katutura eine Basketballschule.
In dem Projekt werden Kinder aus armen Familien spielerisch über
soziale und gesundheitliche Themen aufgeklärt, zudem sollen sie
Teamgeist und Fairness lernen. Es gibt auch kostenloses Mittagessen
und Nachhilfe. Das kleine Projekt kann die rund 50 teilnehmenden
Kinder langfristig auf die Erfolgsspur bringen. Die 14-jährige Wendy
Liswaniso sagt: «Basketball hält mich von der Straße fern. Und wir
lernen hier immer neue Sachen. Das hilft auch mit der Schule.»
BEWUNDERUNG FÜR DIE BAUKUNST DER DEUTSCHEN
Für wenige Jahrzehnte war das deutsche Kolonialreich das viertgrößte
der Welt. Die größten Gebiete lagen verstreut in Afrika. Aber auch
«Kaiser-Wilhelms-Land» auf der Insel Neuguinea in Südostasien gehör
te
dazu, Südseeinseln wie Samoa und das Bismarck-Archipel sowie ein
kleines Gebiet an der Ostküste Chinas rund um die Stadt Qingdao, etwa
13 000 Kilometer Luftlinie von Namibia entfernt.
Auch dort gingen die Kolonialherren zwar nicht gerade zimperlich vor,
aber mit dem brutalen Vorgehen gegen Einheimische wie in Afrika war
das nicht vergleichbar. «Schlimme Gewalttaten an der Bevölkerung gab
es nicht», sagt der lokale Historiker Li Ming, während er in einem
deutschen Restaurant der Stadt bei Bratwurst und Kartoffelsalat von
seinen Nachforschungen erzählt.
Der 57-Jährige, der an mehr als zehn Büchern über die deutsche
Besatzungszeit mitgeschrieben hat, ist sich sicher, dass Menschen in
Qingdao nicht mehr negativ über die Vergangenheit denken. Geblieben
sei vor allem Bewunderung für die Baukunst der Deutschen.
Die Hafenmetropole, die heute mehr als sieben Millionen Einwohner
zählt, sieht in großen Teilen aus wie die meisten chinesischen
Großstädte, die in den letzten 30 Jahren in einem irrsinnigen Tempo
gewachsen sind. Hochhaus reiht sich an Hochhaus.
Doch zumindest in der direkt am Wasser gelegenen Altstadt, wo die
Deutschen vor über 100 Jahren landeten, blieben viele Gebäude
erhalten. Chinesische Touristen, die sich keine teuren
Fernreisen leisten können, fahren stattdessen nach Qingdao, um einen
Eindruck von alter europäischer Architektur zu bekommen. Beliebt ist
die Stadt auch bei Brautpaaren, die nach Qingdao kommen, um vor
historischer Kulisse ihre Hochzeitsfotos zu schießen.
Zu sehen gibt es Kirchen, ganze Straßenzüge mit alten Villen, das
erste Kino, das es überhaupt in China gab, und oben auf dem Berg die
alte Residenz des Gouverneurs, die später auch der Große Vorsitzende
Mao Tsetung einmal als Sommerresidenz nutzte.
Die in der Kolonialzeit gegründete Brauerei der Stadt ist zu einem
der größten Bier-Konzerne Chinas gewachsen. Noch heute werden
Besucher bei Besichtigungen an die deutschen Anfänge erinnert, in
denen das Bier «analog dem bayrischen Braugesetz» hergestellt wurde
,
wie es auf einem alten Werbeschild heißt. Ähnlich wie das Oktoberfest
in München feiert Qingdao jedes Jahr im August ein dreiwöchiges
Bierfest, das Millionen Besucher anlockt.
Weil die Deutschen in Qingdao auch die bis dahin größte Kanalisation
Chinas bauten, werden Kanaldeckel in der Stadt noch heute
«Gulli» genannt. «Die deutsche Geschichte ist ein großes Gesch
äft für
uns», sagt ein Hotelbesitzer.
KEIN BLUTBAD, ABER EINE ERPRESSUNG
Dass die Deutschen in Qingdao besser in Erinnerung geblieben sind als
in anderen Teilen der Welt, dürfte daran liegen, dass bei der Ankunft
der neuen Kolonialherren tatsächlich kaum Blut geflossen ist. Mit
Ruhm haben sich die Besatzer aber auch nicht bekleckert. «Es war
vielmehr eine Erpressung», sagt Historiker Li.
Das Deutsche Reich hatte schon länger auf einen Handels- und
Marinestützpunkt in der Region gehofft, als 1897 der passende Vorwand
zum Übergriff gefunden war. Weil in der Provinz Shandong, zu der
Qingdao gehört, zwei deutsche Missionare auf einer Reise aus
ungeklärten Gründen ermordet wurden, besetzte die deutsche Marine als
Vergeltung die Bucht vor Qingdao.
Dann wurde die militärisch hoffnungslos unterlegene Regierung der
Qing-Dynastie gezwungen, das Gebiet für 99 Jahre an das Deutsche
Reich zu verpachten. Um die Stadt herum entstand eine 50 Kilometer
breite neutrale Zone, in der China nur mit Einwilligung der deutschen
Seite Rechte ausüben konnte.
«Die verübten Grausamkeiten» der Deutschen unterschieden sich nicht
groß von dem, was andere Besatzer bei ihren Feldzügen den Chinesen
antaten, schreibt Chinas ehemaliger Botschafter in Deutschland,
Zhaorong Mei, in einem Vorwort zu einem Buch von Historiker Li.
Doch statt «mutwillig zu plündern und die Kriegsbeute
davonzuschleppen», hätten die Deutschen eher «wirtschaftliche
Interessen» gehabt. Sie wollten Qingdao «nach vorne bringen» und
zu
einer Musterkolonie machen. Der deutsche «Geist und Fleiß» hätt
en
großen Einfluss auf Qingdao gehabt, lobt der ehemalige chinesische
Diplomat weiter.
Viel Zeit, um seine Pläne in Qingdao zu verwirklichen, hatte
Deutschland am Ende nicht. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde
Qingdao im November 1914 nach dreimonatiger Belagerung von Japan
besetzt. Die deutschen Verteidiger wurden nach Japan in
Kriegsgefangenschaft gebracht. Der deutsche Traum einer chinesischen
Kolonie war damit Geschichte.
«KOLONIALÄRA NUR EINER VON VIELEN BLINDEN FLECKEN»
Der wohl bekannteste Zeuge der deutschen Kolonialzeit in Berlin steht
im Lichthof des Naturkundemuseums. Er ist 13 Meter hoch, rund 150
Millionen Jahre alt und besteht nur noch aus Knochen. Das Skelett
eines Brachiosaurus war in den Jahren 1909 bis 1913 von einer
Expedition Berliner Paläontologen nach Deutschland geholt worden. Sie
hatten die Überreste des Kolosses am Tendaguru-Hügel im heutigen
Tansania gefunden. Damals gehörte die Gegend zur größten
afrikanischen Kolonie des deutschen Kaiserreichs: Deutsch-Ostafrika.
Dass der Dinosaurier irgendetwas mit der deutschen
Kolonialvergangenheit zu tun hat, wissen wohl nur wenige von
Hunderttausenden Besuchern, die jedes Jahr in eins der beliebtesten
Berliner Museen kommen. Überhaupt war das Interesse an diesem Teil
der deutschen Geschichte lange Zeit ziemlich gering. «In unserer
geschichtsvergessenen Gegenwart ist die Kolonialära nur einer von
vielen blinden Flecken», schreibt der langjährige
Afrika-Korrespondent Bartholomäus Grill in seinem kürzlich
veröffentlichten Buch «Wir Herrenmenschen» über die deutsche
Kolonialgeschichte.
Eine große Ausstellung im Deutschen Historischen Museum 2016/17, das
Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs im vergangenen Jahr, die
vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron forcierte Debatte über
die Rückgabe von nach Europa verschleppten Gebeinen und Kulturgütern
aus Afrika - all das hat dazu geführt, dass das Interesse an einer
kritischen Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit deutlich
zugenommen hat.
«Es war nur eine Frage der Zeit, dass die Globalisierung dieses Thema
auf den Tisch bringt», sagt Christian Kopp vom Bündnis «Decolonize
Berlin». Inzwischen gibt es bundesweit etwa 20 solcher Gruppen, die
sich für die Aufarbeitung der Kolonialzeit einsetzen und
beispielsweise für die Umbenennung von Straßen kämpfen, die die Namen
von berüchtigten Kolonialherren tragen.
«Das ist wie eine geschichtspolitische Bewegung», sagt Kopp. Die
Initiativen wollen den zahlreichen Denkmälern für Kolonialisten, die
es noch gibt, eins für die Opfer entgegensetzen - am besten mitten in
Berlin, an der Wilhelmstraße. Dort fand 1884/85 die Konferenz der
europäischen Großmächte statt, bei der Afrika aufgeteilt wurde. Am
besten wäre, wenn einem solchen Denkmal auch eine Ausstellung
angegliedert würde, die an die Opfer des europäischen Kolonialismus
insgesamt erinnert, sagt Kopp. «Wichtig ist, dass das dann ein
zentraler Gedenkort wird.»
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