Vertrauenskrise für Impfungen in Westeuropa

Menschen in ärmeren Ländern haben mehr Vertrauen zu Impfungen als die
in reichen. Deutschland liegt in dem Gebiet auch unter dem
Weltdurchschnitt. Den «Luxus» könne man sich nicht leisten, sagt eine

Medizinerin und nennt auch Ursachen für das Abschneiden.

London (dpa) - Viele Europäer haben einer Umfrage zufolge ein großes
Misstrauen gegen Impfungen. Nach den Daten der britischen Stiftung
Wellcome Trust empfinden in Westeuropa lediglich 59 Prozent der
befragten Menschen Impfungen als sehr oder zumindest einigermaßen
sicher. In Deutschland waren es 67 Prozent, wobei diejenigen Menschen
mit höherem Bildungsgrad der Impfung eher vertrauten als diejenigen
mit niedrigerem. Weltweit sehen mit durchschnittlich 79 Prozent weit
mehr Befragte Impfungen als sicher an.

Soziale Medien trügen zu den Vorbehalten gegen und Ängsten vor
Impfungen bei, sagte Heidi Larson, von der London School of Hygiene
and Tropical Medicine der Zeitung «The Guardian». Für den «Wellcome

Global Monitor 2018» wurden mehr als 140 000 Menschen über 15 Jahren

in mehr als 140 Ländern dazu befragt, was sie über das Impfen, die
Wissenschaft und andere Themen denken.

In Bangladesch und Ruanda ist das Vertrauen in Impfungen demnach am
höchsten. Innerhalb Westeuropas zeigten die Franzosen das größte
Misstrauen. Dort stuften 33 Prozent der Befragten Impfungen als
unsicher ein - mehr als in jedem anderen Land. Als sicher
bezeichneten Impfungen 47 Prozent der Franzosen, andere stimmten
keiner dieser Aussagen zu.

«Gerade in den reicheren Ländern, in denen wir nicht länger die
schrecklichen Folgen von verhinderbaren Krankheiten sehen, sind
Menschen mehr zurückhaltend», sagte Larson mit Blick auf Diphtherie,
Masern und Keuchhusten. Das sei jedoch ein Luxus, den man sich nicht
leisten könne. Nur in zwei reichen Erdregionen, Nordeuropa und
Nordamerika, war das Vertrauen in Impfungen mit 73 und 72 Prozent
recht hoch, auch wenn es nicht den Weltdurchschnitt erreichte. Zum
Vergleich: In Südasien sind es 95 Prozent.

In der Ukraine hatten den Angaben zufolge lediglich 50 Prozent der
Befragten Impfungen als sicher und effizient eingeschätzt. Dort gab
es 2018 mehr als 53 000 Masernfälle. Misstrauen in staatliche Stellen
gehe oftmals einher mit Zweifeln über die Sicherheit von Impfungen,
fanden die Studienautoren weiter heraus.

Gerade junge Eltern müssten ihre Fragen zu Impfungen schnell und
umfassend beantwortet haben, sonst orientierten sie sich an den
sozialen Medien, sagte Larson. Dort verbreiteten sich schnell
Fehlinformationen, auf die Forscher aber nicht reagieren könnten,
weil sie in privaten Facebook-Gruppen oder anderen unzugänglichen
Foren kursierten. Das Kinderhilfswerk Unicef hatte im März davor
gewarnt, dass Masern weltweit alarmierende Ausmaße erreicht haben.