Telemedizin erstmals in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Einsatz

Ärzte können auch aus der Ferne heilsam wirken. Die Telemedizin gilt
als Zukunftsmodell vor allem für die Versorgung auf dem Lande. Doch
eher nur als Ergänzung zur klassischen Sprechstunde.

Dresden (dpa/sn) - In der sächsischen Kinder- und Jugendpsychiatrie
werden junge Patienten erstmals via Telemedizin betreut. Dazu hat der
niedergelassene Facharzt Reinhard Martens aus Pirna in Weißwasser
eine ambulante Zweigpraxis eröffnet. Am Mittwoch wurde das Projekt im
Beisein von Sachsens Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU)
vorgestellt. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie mit Sitz in
Berlin sieht darin eine gute Ergänzung zu anderen Angeboten.

Der Facharztmangel werde so mit einem neuen und anspruchsvollen
Betreuungskonzept ausgeglichen, erklärte Simona Hartmann, Leiterin
des dafür zuständigen Projektes von Krankenkassen und
Kassenärztlicher Vereinigung. Laut Gesundheitsministerium ist die
Region Weißwasser auf diesem Gebiet deutlich unterversorgt. Für
Termine beim ambulanten Kinder- und Jugendpsychiater hätten Patienten
bisher sehr weite Wege in Kauf nehmen müssen. Das ändere sich nun.
Klepsch zufolge können Kinder und Jugendliche mit psychiatrischen
Erkrankungen hier nun in hoher Qualität ambulant versorgt werden.

Bei dem Vorhaben arbeitet Martens in Videokonferenzen mit Therapeuten
in Weißwasser zusammen und delegiert fachärztliche Leistungen auf
sie. Auch mit den Patienten ist er per Bildschirm verbunden, wobei
der erste Kontakt stets persönlich erfolgt. Durch die Kooperation mit
den Therapeuten soll der Arzt entlastet werden, um zusätzliche
Patienten in der Zweigpraxis zu behandeln. Die Therapeuten sorgen für
die Betreuung vor Ort. Das Team besteht aus Leuten mit medizinischen,
therapeutischen oder sozialwissenschaftlichen Abschlüssen.

«Die Therapeuten bereiten das Arztgespräch unter Einsatz von
Fragebogentests vor, erklären den Patienten und Eltern die
Behandlungsschritte oder betreuen sie direkt im familiären und
sozialen Umfeld», hieß es bei der Präsentation des Projektes. Die
Behandlung selbst obliege weiterhin dem Facharzt, da er die Therapie
parallel verfolge und sich jederzeit einschalten könne. Ein weiterer
Vorteil: Der Patient muss keine langen Wege zum Facharzt zurücklegen.

Die Bundesärztekammer begrüßte das Projekt. «Wir sind froh,
engagierte Ärzte zu haben, die sich diesem Thema progressiv stellen»,
sagte Erik Bodendieck der Deutschen Presse-Agentur. Er ist bei der
Bundesärztekammer Chef des Telematik-Ausschusses und zugleich
Präsident der Landesärztekammer Sachsen. Telemedizinische Verfahren
seien seit mehreren Jahren in verschiedenen Bereichen etabliert oder
würden in Modellprojekten erprobt. Letztlich seien Chancen und
Risiken auszuloten und zu evaluieren.

Laut Bodendieck wird die Digitalisierung alle Bereiche der Medizin
verändern. «Dabei müssen an erster Stelle ethische Fragestellungen
geklärt werden. Die Güte der Gesundheitsversorgung muss dabei oberste
Priorität haben.» Patienten müsse trotz aller technischer Entwicklung

ein persönlicher Arzt-Patientenkontakt auch in Zukunft ohne
wesentliche Hindernisse möglich sein.

«Dieses Projekt zeigt, dass es mit Hilfe ausgereifter
telemedizinischer Ansätze möglich ist, fachärztliche Versorgung im
ländlichen Raum anzubieten - und das sogar für Erkrankungen, die sehr
gesprächsintensive und häufige Patientenkontakte erfordern», betonte

Rainer Striebel, Vorstand der AOK Plus. Es gehe darum, die ärztliche
Versorgung im Freistaat durch neue und moderne Wege zu stärken»,
betonte der Landeschef der Barmer in Sachsen, Fabian Magerl.

Die Chefin der DAK-Gesundheit, Christine Enenkel, wies darauf hin,
dass Ärzte durch die Telemedizin ihre Praxisabläufe bei der Betreuung
optimieren können. «So bleibt mehr Zeit für die kleinen Patienten,
die auf den direkten Arztkontakt angewiesen sind und nun einen
zeitnahen Zugang bekommen.»

«Nur wenn wir auch neue Ideen zulassen, werden wir die Probleme der
ärztlichen Versorgung auf dem Land in den Griff bekommen»,
unterstrich Silke Heinke, Leiterin der Verbandes der Ersatzkassen im
Freistaat.