EU-Drogenstelle: Menge an beschlagnahmtem Kokain verdoppelt

Fast 100 Millionen Europäer haben schon einmal illegale Drogen
ausprobiert, mehr als eine Million sind jährlich wegen Suchtproblemen
in Behandlung. Experten warnen, der Stoff sei leicht verfügbar. Und
die Dealer werden immer innovativer.

Brüssel (dpa) - Die Menge an beschlagnahmtem Kokain in Europa hat
sich binnen eines Jahres verdoppelt und einen Rekordstand erreicht.
2017 stellten Fahnder 140,4 Tonnen der Droge sicher, im Vergleich zu
70,9 Tonnen ein Jahr zuvor. Dies geht aus dem am Donnerstag in
Brüssel veröffentlichten Jahresbericht der EU-Beobachtungsstelle für

Drogen und Drogensucht hervor. Dieser bezieht sich größtenteils auf
Daten aus 2017 für die 28 EU-Staaten, die Türkei und Norwegen.

Die Menge an beschlagnahmtem Kokain hatte 2006 schon einmal bei 120
Tonnen gelegen, war aber danach kontinuierlich gesunken. Für 2017
meldete die Beobachtungsstelle 104 000 Einzelfunde, im Vergleich zu
98 000 im Jahr davor. Eine besondere Herausforderung sei groß
angelegter Schmuggel in Schiffscontainern, hieß es.

Behördenchef Alexis Goosdeel sagte, seit 2016 sei ein rapider Anstieg
der Kokain-Produktion aus Kolumbien festzustellen. Das sei eine
mögliche Erklärung dafür, dass größere Mengen beschlagnahmt wurde
n.
Es gebe Anzeichen, dass pflanzenbasierte Drogen wie Kokain leichter
verfügbar seien. Viel Kokain werde aber in Europa nur umgeschlagen
und dann weiter nach Asien und den Nahen Osten transportiert, wo
Dealer neue Märkte suchten.

Besorgt zeigten sich die Experten über neue, digitale Vertriebswege
zum Endverbraucher. Dealer böten Drogen im Darknet und über
verschlüsselte Kommunikationswege an. Neue «Call-Center» für Kokain

brächten die Droge mit Kurieren zu den Kunden - im Wettbewerb mit
anderen Kriminellen setzten die Dealer auf zusätzliche
Dienstleistungen. Die Rolle digitaler Vertriebswege am gesamten
Drogenhandel sei noch verhältnismäßig klein, verdoppele sich aber
jedes Jahr, sagte Goosdeel.

Kokain ist nach Angaben der Beobachtungsstelle die in der EU am
häufigsten gebrauchte aufputschende illegale Droge. Rund 2,6
Millionen junge Leute zwischen 15 und 34 Jahren hätten sie 2017
konsumiert. Eine neue Abwasserstudie habe ergeben, dass die Menge an
Kokain-Abbauprodukten von 2017 bis 2018 in 22 der 38 überprüften
Städte gestiegen sei. Die höchsten Werte seien in Städten in Belgien,

Spanien, den Niederlanden und Großbritannien entdeckt worden.

Insgesamt haben 96 Millionen Erwachsene in der EU bereits irgendwann
einmal illegale Drogen probiert, wie es in dem Bericht weiter heißt.
Rund 1,2 Millionen Menschen werden jährlich wegen Drogengebrauchs
medizinisch behandelt. Die Suchtstelle hat 730 Rauschmittel im Blick.
2018 kamen 55 neue psychoaktive Substanzen hinzu.

Insgesamt beschlagnahmten Drogenfahnder mehr als eine Million mal
illegales Rauschgift. Das war in etwa so häufig wie im Jahr davor.
Meist ging es um kleine Mengen. In zwei Drittel der Fälle wurden
Cannabis-Produkte sicher gestellt, insgesamt mehr als 850 Tonnen.
Behördenchef Goosdeel warnte zudem, synthetische Opioide, die in den
USA im Mittelpunkt einer schweren Drogenkrise stehen, seien auch in
Europa auf dem Vormarsch.

Die EU-Drogenbeobachtungsstelle mit Sitz in der portugiesischen
Hauptstadt Lissabon liefert nur Daten und Statistiken - Prävention
und Bekämpfung liegen in der Zuständigkeit der EU-Staaten.