Razzia gegen Pflegedienste - Abrechnungsbetrug bei Intensivbetreuung

Auf dem Pflegemarkt werden Milliarden umgesetzt. Das Geld zieht auch
immer wieder Betrüger an.

Berlin (dpa) - Die Polizei hat einen großangelegten Abrechnungsbetrug
von Pflegediensten bei der Betreuung von Beatmungspatienten
aufgedeckt. 130 Polizisten sowie Staatsanwälte durchsuchten am
Dienstagmorgen Wohnungen und Büros an 19 Orten in Berlin, Brandenburg
und Schleswig-Holstein. Drei Menschen wurden nach Polizeiangaben
verhaftet. Darunter war auch eine 63-jährige Deutsche mit Wohnsitz in
Spanien, die das Betrugssystem organisiert haben soll.

Die Polizei geht davon aus, dass spätestens seit 2013 Menschen vor
allem aus Osteuropa als Intensivpfleger und -pflegerinnen eingesetzt
wurden, obwohl sie nicht qualifiziert waren. Zeugnisse sollen
gefälscht worden sein. Die Pfleger sollen bei neun Pflegediensten
eingesetzt worden sein. Die Polizei ermittelte monatelang gegen zwölf
Verdächtige. Verhaftet wurden auch zwei Pflegekräfte im Alter von 61
und 44 Jahren, die teilweise seit mehreren Jahren für die
Hauptverdächtige arbeiteten.

Die sehr anspruchsvolle Intensivpflege von Beatmungspatienten ist
meist eine 24-Stunden-Betreuung. Monatlich kostet das die
Krankenkassen 20 000 Euro pro Patient. Nach jetzigem Stand soll ein
Schaden von 1,5 Millionen Euro entstanden sein. Diese Summe könnte
sich aber noch deutlich erhöhen.

Diese Form von Abrechnungsbetrug ist weit verbreitet, immer wieder
landen kleinere und größere Fälle vor den Gerichten. Im Januar wurde

ein Berliner Pflegedienst angeklagt, weil nicht erbrachte Leistungen
bei einem Bezirksamt abgerechnet worden sein sollen. Im November 2018
gab es eine Anklage, weil zwei Verantwortliche eines Pflegedienstes
mit falschen Abrechnungen Krankenhäuser und Bezirksämter um rund drei
Millionen Euro betrogen haben sollen. Patienten und andere
Eingeweihte sollen dabei hohe Schmiergelder erhalten haben.

Im Mai 2018 wurde die Inhaberin eines Pflegedienstes wegen
Abrechnungsbetrugs in mehr als 300 Fällen verurteilt. Hilfskräfte
versorgten demnach die Patienten, abgerechnet wurden aber Leistungen
von examinierten Pflegefachkräften.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz betonte, es gehe bei diesen
Fällen nicht nur um Abrechnungsbetrug. «Ist die Pflegemafia
unterwegs, wird schlecht gepflegt. Leidtragende sind Schwerstkranke,
die oftmals rund um die Uhr versorgt werden.» Der Gesetzgeber müsse
endlich wirksame Instrumente schaffen, um den Sumpf trocken zu legen.
Nötig seien Schwerpunktstaatsanwaltschaften und spezielle
Ermittlungsgruppen in allen Bundesländern. Zudem würde eine
einheitliche Patientennummer endlich Licht ins Dunkel aus Kranken-
und Pflegeversicherung bringen. So könnten Doppelabrechnungen und
Schummeleien schnell aufgedeckt werden.