Gefährliche Mückenstiche: Verbreitung des West-Nil-Virus befürchtet Von Birgit Sander und Joachim Mangler, dpa

Wissenschaftler rechnen nach dem milden Winter mit einer größeren
Verbreitung des West-Nil-Virus. Der Erreger befällt vor allem Vögel,
kann aber auch Menschen und Pferden gefährlich werden.

Greifswald/Rostock (dpa) - Für Raben- und Greifvögel endet die
Erkrankung meist tödlich, andere Vögel zeigen keine Symptome.
Menschen und Pferde können erkranken und in seltenen Fällen sogar
sterben. Das West-Nil-Virus, das von Mücken übertragen wird, könnte

sich nach dem milden Winter in Deutschland weiter verbreiten.

Das ursprünglich aus Afrika stammende Virus kommt auf allen
Kontinenten außer der Antarktis vor. «In den letzten Jahren gab es in
Süd- und Osteuropa immer wieder vereinzelte Ausbrüche mit 10 bis 100
Erkrankten», sagt der Rostocker Tropenmediziner Emil Reisinger. Das
führte dazu, dass WNV in Europa zwar bekannt war, aber keine große
Beachtung gefunden hatte.

Dabei stecke in dem Virus ein gefährliches Potenzial, meint der
Leiter der Abteilung für Tropenmedizin und Infektiologie der
Unimedizin Rostock. «Eine Sterblichkeit von 2,5 bis 5 Prozent ist
nicht wenig.» Vor allem ältere und immunschwache Menschen können an
der Infektion sterben. In Deutschland wurde aber bislang noch kein
Fall gemeldet, bei dem sich ein Mensch durch eine Mücke angesteckt
hat.

Für Menschen gibt es bislang keinen Impfstoff, für Pferde schon. Die
Ständige Impfkommission Veterinärmedizin empfiehlt, in diesem Jahr
Pferde in Gebieten zu impfen, in denen das Virus bereits auftrat.
«Die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus in diesem Winter in
Stechmücken überlebt hat, ist sehr groß», sagt die Virologin Ute
Ziegler vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Insel
Riems bei Greifswald. Sie leitet das nationale Referenzlabor für
WNV-Infektionen bei Vögeln und Pferden. Das Virus wird durch eine
warme Umgebung begünstigt. 

In Deutschland wurden im vorigen Jahr die ersten WNV-Fälle bei Tieren
entdeckt, vor allem bei Vögeln. In ihnen vermehrt sich das Virus
besonders gut. «Sie stellen das natürliche Virusreservoir dar»,
erläutert Ziegler. Bei Nutzgeflügel ist bislang nur ein erkrankter
Gänsebestand in Israel Ende der 1990-er Jahre bekannt geworden. Auch
Säugetiere werden infiziert. Aber nur Menschen und Pferde können
ernsthaft erkranken. Sie stecken andere jedoch nicht an.

Die Symptome ähneln beim Menschen anfangs einer Grippe. Zunächst
zeige sich die Erkrankung mit Fieber und Schweißausbrüchen, erläutert

Reisinger. Dann fühlten sich die Patienten wieder wohl. Aber das
Fieber komme wieder und es werde höchste Zeit, zum Arzt zu gehen.
Denn dann bestehe die Gefahr einer Gehirnhautentzündung.  

Das erste Tier, das nachgewiesenermaßen an einer West-Nil-Infektion
in Deutschland gestorben ist, war im August 2018 ein Bartkauz aus dem
Zoo Halle/Saale. Insgesamt wurde diese anzeigepflichtige Tierseuche
seither in Deutschland 14 Mal registriert, bei zwölf Vögeln und zwei

Pferden, wie Ziegler erläutert. Einige Tiere überlebten.

Das Virus vermehrt sich nach ihren Worten in den Stechmücken umso
schneller, je wärmer die Umgebung ist. Habe das Virus zur Vermehrung
2017 im Schnitt noch 17 bis 21 Tage gebraucht, seien es im warmen
Sommer 2018 in Mitteldeutschland oft nur 12 bis 14 Tage gewesen. Die
WNV-Nachweise hätten sich 2018 auf die wärmsten Regionen konzentriert
- auf Sachsen-Anhalt, Südbrandenburg und Nordsachsen.

In Deutschland ist bisher kein Mensch an einer WNV-Infektion durch
einen Mückenstich erkrankt. Allerdings infizierte sich ein Tierarzt
in Bayern wahrscheinlich bei der Obduktion eines Vogels, er erkrankte
nicht schwer. In Süd- und Osteuropa starben im vorigen Jahr 181
Menschen an einer WNV-Infektion, mehr als 2000 erkrankten. Wie sich
das Virus in Deutschland in diesem Jahr verbreiten wird, sei noch
völlig offen, sagt Ziegler. Reisinger erwartet in den kommenden
Jahren keinen größeren Ausbruch, geht aber von «gehäuften
Einzelfällen» bei Menschen aus.

Gesundheitsbehörden, Veterinärämter, Tierärzte und Jäger in
Deutschland wurden nach Angaben der Virologin im Hinblick auf den
Erreger sensibilisiert. So seien Jäger gebeten worden, totes
Federwild zu melden und einzuschicken. Weiterhin sollen neurologisch
erkrankte Pferde möglichst auf das WNV untersucht werden.