Tarifstreit um Klinikärzte festgefahren - Ärztestreik möglich

Der aktuelle Tarifstreit von Ärzten und Kommunen ist festgefahren -
Ausgang offen. Müssen wieder Operationen verschoben, Termine für
Patienten verlegt werden?

Berlin (dpa) - Auf Klinik-Patienten in Deutschland können neue
Ärztestreiks zukommen. Im aktuellen Tarifstreit um die rund 55 000
Mediziner in den mehr als 500 kommunalen Krankenhäusern sind die
Gespräche am Mittwochmorgen zunächst abgebrochen worden, wie ein
Sprecher der Ärztegewerkschaft Marburger Bund mitteilte. Eine
Eskalation bis hin zu Streiks ist demnach möglich. Dann könnten
Operationen verlegt werden und weitere Verzögerungen für Patienten
bevorstehen.

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) legte laut
Marburger Bund in der dritten Verhandlungsrunde am frühen Morgen ein
Angebot vor, ohne den Ärzten in entscheidenden Punkten
entgegenzukommen. Der Marburger Bund fordert fünf Prozent mehr Geld
sowie Begrenzungen von Bereitschaftsdiensten. In Aussicht gestellt
worden sei nur eine Gehaltserhöhung von 1,4 Prozent für 2019 und 0,83
für 2020, so der Marburger Bund in einer Mitteilung.

Die VKA stellt dies völlig anders dar. «Die Arbeitgeberseite hat in
einem ersten Angebot eine Entgelterhöhung von 5,4 Prozent vorgelegt.»
Darüber hinaus seien maßgebliche Verbesserungen der
Arbeitsbedingungen angeboten worden.

Ein Hauptstreitpunkt ist die rechtliche Absicherung der Tarifverträge
des Marburger Bunds. Die Gewerkschaft warf der VKA vor, sich einer
rechtsverbindlichen Vereinbarung für so eine Absicherung zu
verweigern. «Besonders empörend ist es, dass die Arbeitgeber das
Recht der Mitglieder des Marburger Bundes auf eigenständige
Tarifverhandlungen bestreiten und die dauerhafte Existenz des
Ärztetarifvertrages in Frage stellen», sagte Rolf Lübke,
Verhandlungsführer des Marburger Bundes.

VKA-Hauptgeschäftsführer Klaus Klapproth sagte hingegen: «Wir haben
dem Marburger Bund angeboten, dessen alleinige Zuständigkeit für die
Krankenhausärzte rechtssicher zu vereinbaren.»

Hintergrund ist das 2015 beschlossene Tarifeinheitsgesetz, nach dem
in einem Betrieb nur der Abschluss der Gewerkschaft mit den meisten
Mitgliedern gelten soll. Der Marburger Bund betonte, mit der
Gewerkschaft Verdi habe man sich längst verständigt, dass der
Tarifvertrag der jeweils anderen Gewerkschaft nicht verdrängt werden
soll. Auch Verdi hat viele Mitglieder in den Kliniken, in denen auch
der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zur Anwendung kommt.

Beim Marburger Bund fürchtet man, dass mit der VKA erstmals
Arbeitgeber vor Gericht die Feststellung der Gewerkschaftsmehrheit
beantragen könnten. Die VKA hingegen versicherte, der Marburger Bund
sei für sie die zuständige Gewerkschaft für die Krankenhausärzte.

Wie es weitergeht, wollen die kleine Tarifkommission der
Ärztegewerkschaft an diesem Donnerstag und ihre große Tarifkommission
an diesem Samstag beraten. Warnstreiks oder eine Urabstimmung und
Streiks sind somit nicht ausgeschlossen. Die VKA fordert den
Marburger Bund auf, umgehend an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

2006 war der Marburger Bund teils fast täglich in den Schlagzeilen,
als die Klinikärzte mit einem Streik für mehr Geld und bessere
Bedingungen kämpften. Es war der erste Ärztestreik in Deutschland
seit Jahrzehnten.