Herz-Kreislauf-Risikofaktoren beeinflussen auch das Gehirn

Ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung und der Griff zur Zigarette
können nicht nur das Herz-Kreislauf-System belasten. Auch das Gehirn
nimmt Schaden, zeigt eine Analyse. Welche Folgen das für das
Denkvermögen und andere Fähigkeiten hat, ist allerdings noch unklar.

Edinburgh (dpa) - Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen und andere
Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind auch mit
Veränderungen im Gehirn verbunden. Das belegt eine britische Studie
mit Daten von 9722 Patienten. Je mehr Risikofaktoren ein Patient
aufwies, desto deutlicher zeigten sich krankhafte Veränderungen bei
der weißen Substanz, der grauen Substanz und beim Gehirnvolumen,
berichten Forscher um Simon Cox von der University of Edinburgh
(Großbritannien) im «European Heart Journal».

Die Wissenschaftler nutzten die Daten der «UK Biobank», einer großen

Langzeitstudie in Großbritannien mit Gesundheitsdaten von rund einer
halben Million Menschen. Bei einem Teil der Teilnehmer wurden
Kernspintomographie-Aufnahmen vom Gehirn gemacht. Cox und Kollegen
sortierten Teilnehmer mit einer diagnostizierten Gehirn- oder
Nervenkrankheit aus. Alle untersuchten Probanden gaben Auskunft über
Faktoren wie Blut- und Pulsdruck, Diabetes, Cholesterinspiegel und
Rauchen. Außerdem wurden der Body-Mass-Index und das Verhältnis von
Bauch- und Hüftumfang gemessen.

Diese Daten setzten die Forscher statistisch mit den erfassten
Veränderungen im Gehirn in Beziehung. Dabei zeigte sich, dass die
Auffälligkeiten nicht gleich über das Gehirn verteilt waren. «Die
betroffenen Bereiche waren hauptsächlich diejenigen, von denen
bekannt ist, dass sie mit unseren komplexeren Denkfähigkeiten und
denjenigen Bereichen zusammenhängen, in denen Veränderungen bei
Demenz und bei der Alzheimer-Krankheit auftreten», erklärt Cox. Keine
deutlichen Veränderungen im Gehirn fanden die Wissenschaftler bei
einem hohen Cholesterinspiegel.

Das Team verglich auch zwei Untergruppen - eine mit Menschen ohne
Herz-Kreislauf-Risikofaktoren, die andere mit Menschen mit der
höchsten Anzahl solcher Faktoren. «Wir fanden heraus, dass diejenigen
mit dem höchsten Herz-Kreislauf-Risiko im Durchschnitt etwa 18
Milliliter oder fast drei Prozent weniger Volumen an grauer Substanz
verglichen mit Menschen mit dem geringsten Risiko hatten», so Cox.
Die graue Substanz besteht hauptsächlich aus Nervenzellen, die weiße
Substanz aus Nervenbahnen. Hier fanden die Forscher sogar das
Anderthalbfache an Schäden.

«Auffallend ist, dass auch bei diesen relativ gesunden Individuen
Verbindungen zwischen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren und der
Gehirnstruktur nachweisbar sind», schreiben die Forscher. Bei einer
repräsentativen Gruppe könnten die Veränderungen noch größer sein
.

Der nicht an der Analyse beteiligte Neurologe Andreas Meisel von der
Charité Universitätsmedizin Berlin gibt zu bedenken, dass ein
geringeres Gehirnvolumen noch nicht krank mache. Er fände es
spannend, auch genetische Faktoren in eine solche Untersuchung
einzubeziehen.

Welche konkreten Auswirkungen die Abweichungen haben, wollen die
britischen Wissenschaftler als nächstes untersuchen. Dann sollen das
Denkvermögen und andere Fähigkeiten, die mit dem Zustand des Gehirns
zusammenhängen, getestet werden.

Gabor Petzold vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative
Erkrankungen in Bonn hält die Untersuchung der kognitiven Fähigkeiten
für einen wichtigen nächsten Schritt. Denn vieles aus der aktuellen
Studie sei für ihn nicht überraschend gewesen. «Interessant ist
jedoch zu sehen, dass sich beispielsweise Bluthochdruck anders auf
die Strukturen im Gehirn auswirkt als Diabetes oder das Rauchen»,
sagte Petzold. Das große Plus der Studie ist für ihn die große
Teilnehmerzahl, die sich in der statistischen Aussagekraft
niederschlage.

Für Sven Poli vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung am
Universitätsklinikum Tübingen sind die Ergebnisse nur bedingt auf die
Situation in Deutschland übertragbar. Insgesamt habe das deutsche
Gesundheitssystem Vorteile gegenüber dem britischen. Allerdings sei
die Nachsorge etwa nach einem Schlaganfall in Großbritannien besser
organisiert. Poli gehört zu einer Forschergruppe, die im Projekt
«SANO - Strukturierte ambulante Nachsorge nach Schlaganfall» nach
Wegen sucht, diese Nachsorge zu verbessern.