Was bringt der «Lebensleistungs»-Zuschlag für kleine Renten? Von Sascha Meyer, dpa

Damit Beschäftigte nach langen Arbeitsjahren als Rentner nicht zum
Sozialamt müssen, wollen Union und SPD eine «Grundrente» schaffen.

Jetzt sind die Pläne des Ministers da - mit einer Kampfansage.

Berlin (dpa) - Es geht um die Sorgen vieler Menschen vor Armut im
Alter - und ein Signal der Anerkennung. Bundessozialminister Hubertus
Heil hat sein Konzept für eine «Grundrente» auf den Tisch gelegt und

will damit ein zentrales Versprechen der großen Koalition auf den Weg
bringen. «Lebensleistung verdient Respekt», lautet eine ministerielle
Botschaft. «Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Arbeit sich
auch in der Rente lohnt», eine andere. Dabei ist nicht nur offen, wie
das Ganze finanziert werden soll. Denn der SPD-Mann zielt teils über
den Regierungsvertrag hinaus - und erntet umgehend Gegenwind.

Wo ist das Problem?

Viele Menschen landen nach einem langen Arbeitsleben mit niedrigen
Löhnen als Rentner in der Grundsicherung, also der Sozialhilfe. Diese
Ungerechtigkeit wolle er ändern, sagte Heil der «Bild am Sonntag».
Denn wer Jahrzehnte gearbeitet habe, habe das Recht, mehr zu bekommen
als jemand, der nicht gearbeitet habe. So kämen eine Friseurin oder
ein Lagerarbeiter nach 40 Jahren mit Mindestlohn auf 514 Euro Rente.
«Respektlos und unwürdig», findet der Minister das und will, dass es

deutlich mehr wird. Nach jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts
bekamen Ende 2017 rund 544 000 Menschen Grundsicherung im Alter.

Wie soll die Grundrente funktionieren?

Im Kern sollen kleine Renten per Zuschlag erhöht werden - und zwar
automatisch berechnet durch die Rentenversicherung ohne extra Prüfung
der Bedürftigkeit. Voraussetzung sind mindestens 35 Jahre Einzahlung
in die Rentenkasse. Auch Teilzeit, Kindererziehungs- und Pflegezeiten
zählen mit, allein Minijobs reichen aber nicht. Generell gilt: Wer
nach genau 35 Beitragsjahren weniger als 896 Euro Rente hat, bekommt
einen Zuschlag. Beschäftigte, die immer nur Mindestlohn verdienten,
sollen die maximale Aufwertung von 447 Euro erhalten. Die Friseurin
mit 40 Jahren Mindestlohn käme also auf 961 statt 514 Euro Rente. Bei
einer alleinerziehenden Krankenschwester in Teilzeit mit zwei Kindern
ergäbe sich zum Beispiel ein Renten-Sprung von 860 auf 1000 Euro.

Wer soll das bezahlen?

Die Kosten sind noch nicht klar. Heil rechnet mit einem mittleren
einstelligen Milliardenbetrag pro Jahr. Und sagt lieber auch gleich
dazu, dass das «ein finanzieller Kraftakt» werde. Klar sei aber, dass
die Grundrente ihren Namen auch verdienen müsse. «Wir dürfen uns
keine Placebo-Politik leisten.» Dem Minister schwebt denn auch eine
Finanzierung aus Steuermitteln des Bundeshaushalts vor, der schon
fast 100 Milliarden Euro jährlich in die Rente pumpt. Profitieren
sollen drei bis vier Millionen heutige und künftige Rentner - davon
wohl drei Viertel Frauen, die öfter schlecht bezahlte Jobs haben, und
viele Menschen in Ostdeutschland mit verbreitet niedrigeren Löhnen.

Wie geht es weiter?

Das Ziel hat Heil schon abgesteckt: Spätestens am 1. Januar 2021 soll
die Grundrente kommen. Doch der Streit ging schon am Wochenende los.
«Wir verteilen Geld nicht mit der Gießkanne, sondern helfen gezielt
demjenigen, der zu wenig Rente hat», hielt Unions-Sozialexperte Peter
Weiß (CDU) fest. Tatsächlich ist im Koalitionsvertrag ausdrücklich

eine Bedürftigkeitsprüfung festgeschrieben, auf die Heil aber ebenso
ausdrücklich verzichten will. Ergänzend will er auch einen Freibetrag
beim Wohngeld erreichen, damit diese Zahlungen nicht im Gegenzug zu
einer höheren Grundrente verloren gehen. Federführend hierfür:
Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU). Da ist ein vielleicht etwas
besser klingender Name als «Grundrente» eher Nebensache. «Nennen Sie

es ruhig Respekt-Rente oder Gerechtigkeitsrente», meinte Heil.