BGH entscheidet über Aufklärung bei Lebend-Organspende

Als Lebendspender für eine Niere kommen nur Menschen infrage, die
sich sehr nahe stehen. Die Operation ist nicht ohne Risiko. Zwei
Spender, die unter Langzeitfolgen leiden, kritisieren mangelhafte
Aufklärung und klagen gegen Mediziner. Jetzt entscheidet der
Bundesgerichtshof.

Karlsruhe (dpa) - Wer schwer krank ist und ein neues Organ braucht,
steht oft jahrelang auf der Warteliste. In manchen Fällen kann eine
Lebendspende helfen. Was aber, wenn es dem Spender anschließend
dauerhaft schlecht geht? Zwei Nierenspender aus Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen fordern Schmerzensgeld und Schadenersatz. Sie
seien über das wahre Risiko nicht aufgeklärt worden. Der
Bundesgerichtshof in Karlsruhe verkündet sein Urteil am Dienstag
(10.00 Uhr). (Az. VI ZR 318/17 u.a.)

Die Spender werfen der Universitätsklinik Essen Fehler bei der
Risikoaufklärung vor. Einer der Spender sagte, er hätte sich bei
einer vollständigen Aufklärung gegen die Spende entschieden. Die
Vorinstanzen stellten in beiden Fällen Fehler bei der
Risikoaufklärung fest. Auch habe der vorgeschriebene neutrale Arzt
gefehlt. Die Richter wiesen die Klagen der Betroffenen aber ab, weil
davon auszugehen sei, dass die Kläger auch in Kenntnis sämtlicher
Risiken gespendet hätten. Es sei von eine hypothetischen Einwilligung
auszugehen.

Im Fall aus Niedersachsen geht es um einen Unternehmer und
Familienvater, der seiner Frau im Sommer 2010 eine Niere gespendet
hatte. Der heute 54-Jährige Ralf Zietz hat sich von der Operation nie
vollständig erholt. Er leidet unter anderem an einer eingeschränkten
Nierenfunktion und chronischer Erschöpfung. Zietz: «Der Spender hat
ein Recht auf umfassende, schonungslose, auch kleinste Risiken
umfassende Aufklärung. Nur einhundertprozentig aufgeklärt soll die
Spende zulässig sein.» Von der BGH-Entscheidung erhoffe er sich eine
Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die erheblichen Risiken der
Nierenlebendspende.

Möglicherweise große Bedeutung könnte in Zietz Fall eine E-Mail
haben, die er den Ärzte 2011 geschrieben hatte. Darin warf er ihnen
mangelnde Aufklärung vor, betonte jedoch, dass er damals sehr
wahrscheinlich dennoch gespendet hätte. Zu diesem Zeitpunkt sei er
psychisch nicht in der Lage gewesen, deutlich zu formulieren, dass er
bei regelgerechter Aufklärung nicht gespendet hätte, betont er heute.
Er später sei ihm immer deutlicher geworden, dass eine
Nierenlebendspende derart riskant sei, dass er bei umfassender
Aufklärung nicht zugestimmt hätte.