Heidelberger Tierversuch illegal? - Diskussion um Tierquälerei Von Julia Giertz, dpa

Forschern am Deutschen Krebsforschungszentrum sind bei einem
Tierversuch Versäumnisse unterlaufen. Das bringt den Wissenschaftlern
nun Ärger ein.

Heidelberg (dpa) - Tierschützer sprechen von skandalöser
Tierquälerei, Behörden ermitteln, Forscher gehen in die Offensive -
ein umstrittener Tierversuch am Deutschen Krebsforschungszentrum in
Heidelberg hat eine erneute Diskussion um den Sinn solcher
Experimente ausgelöst. Stein des Anstoßes war ein Versuch mit Mäusen

zur Wirksamkeit einer Virentherapie beim Ewing-Sarkom, einer
bösartigen Krebserkrankung, die gehäuft bei Kindern auftritt. Nach
der Veröffentlichung einer Studie dazu im Sommer vergangenen Jahres
zeigten Tierschützer die verantwortliche Ärztin bei der
Staatsanwaltschaft Heidelberg wegen Verstoßes gegen das
Tierschutzgesetz an.

Nach Ansicht des Vereins Ärzte gegen Tierversuche wurde das
Experiment, bei dem Mäuse an Tumoren qualvoll eingegangen seien, ohne
Antrag auf Genehmigung durchgeführt. Das Heidelberger Projekt sei
illegal und nur die Spitze des Eisbergs. Vereinsvize Corina Gericke:
«Da hat das Kontrollsystem komplett versagt.»

Das DKFZ räumt ein, dass die Forscher den vorgeschriebenen
Versuchszeitrahmen von fünf Jahren um sechs Wochen überzogen, eine
andere Tumorzelllinie als ursprünglich geplant benutzt und einige
Mäuse zu spät eingeschläfert haben. An Tumoren sei aber kein einziges

Tier gestorben. Die Genehmigungsbehörde, das Regierungspräsidium
Karlsruhe, prüft nun, ob damit die erteilte Genehmigung verwirkt ist.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob es sich bei den Versäumnissen um
eine Straftat oder um eine Ordnungswidrigkeit handelt. Der Fall
frustriert die Forscher. Andreas Trumpp, der das Heidelberger
Institut für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin
(HI-STEM) am DKFZ leitet, hält Tierversuche für unverzichtbar. Wer
anderes behaupte, verhöhne Millionen von Patienten, denen an Tieren
erprobte Medikamente geholfen hätten. Zu den Versuchen mit Mäusen und
Ratten am DKFZ gebe es keine Alternative.

Tierärztin Gericke ist anderer Meinung: Sie hält Multiorganchips für

die Forschungsgrundlage der Zukunft. Das sind aus menschlichen
Stammzellen gezüchtete Miniorgane, die mit einer Art Blutkreislauf
verbunden werden. An ihnen ließen sich Medikamente besser testen als
im Tierversuch, erläutert sie. «Doch noch immer fließen mehr als 99
Prozent der staatlichen Förderung in die Tierversuch-Forschung und
nur weniger als ein Prozent in tierversuchsfreie Methoden.» Ein Plan
zum Ausstieg aus den Tierexperimenten, wie es ihn bereits in den
Niederlanden gebe, tue auch in Deutschland Not.

Das DKFZ reagiert auf die jüngste Entwicklung mit zusätzlichen
Pflichtkursen zu Tierversuchen für die bereits in einer einwöchigen
Einführung qualifizierten Wissenschaftler. Und mit einer
Softwarelösung, die bei Gefahr der Überschreitung von Fristen Alarm
schlägt.