E-Sport-Befragung: Stimmt das Bild vom dicken, ungesunden Zocker? Von Jonas-Erik Schmidt, dpa

Der E-Sport - das wettbewerbsmäßige Zocken bei Computerspielen gilt
als großer Trend unter Jugendlichen. Aber wer sind diese E-Sportler
eigentlich? Und leben sie gesund? Eine Befragung der Deutschen
Sporthochschule wirft ein Schlaglicht auf die Szene.

Köln (dpa) - Das Klischee vom typischen Computerspieler ist schnell
zusammengezimmert: eher unsportlich, eher übergewichtig, eher am
dumpfen Geballer interessiert. Die Deutsche Sporthochschule Köln hat
dieses Bild nun gegengeprüft und E-Sportler über ihren Alltag und
ihre Gesundheit befragt - also Menschen, die am Computer oder an der
Konsole gegeneinander Wettkämpfe ausfechten. Das Fazit der
Forscher: Die Klischees sind überholt - aber beim Essen, bei der
Regeneration und bei der Bewegung gibt es durchaus Luft nach oben.

«Die Risikogruppe ist für uns der Hobby-Sportler, der Hobby-Gamer»,
erklärte der Kölner Sportwissenschaftler Ingo Froböse am
Donnerstag. Grund sei, dass diese - anders als viele Profis, die mit
Zocken ihr Geld verdienen - zum Teil völlig unkontrolliert und
ungehemmt losspielten. Ausgleichsphasen für die Zeit am Bildschirm
gingen dadurch verloren. Hinzu käme unregelmäßiges Trinken und Essen

und geraubte Schlafzeit. Vor allem an den «ambitionierten
Breitensport» müsse man daher ran, sagte Froböse. «Die ernähren s
ich
nicht gut, die sitzen viel zu viel, die machen kaum körperliche
Aktivität als Ausgleich. Für die ist Gamen Lebenselixier.»

Beim E-Sport werden Spiele wie «League of Legends», «Counter-Strike
»
oder die Fußball-Simulation FIFA auf Wettbewerbsebene ausgefochten.
Es haben sich Ligen und hohe Preisgelder etabliert - die Szene gilt
als Boom-Branche. In die Studie flossen nun rund 1200 Datensätze aus
Fragebögen ein. Die Links zu den Fragebögen hatte die Hochschule
unter anderem bei E-Sport-Veranstaltungen und in E-Sport-Foren
verbreitet. Daraus leiteten die Autoren ein Bild des
durchschnittlichen E-Sportlers ab: männlich, 23 Jahre alt, hohe
Schulbildung. Im Schnitt wird drei bis vier Stunden am Tag gespielt.

Da jeder bei der Befragung mitmachen konnte, sind die Ergebnisse eher
als Schlaglicht auf die Gamer-Szene zu werten - aufgrund des
Forschungsdesigns sind sie im engeren Sinne nicht repräsentativ. Auch
wurden Kausalitäten nicht immer ganz genau untersucht.

Die Daten deuten aber an: Wer mehr spielt, sitzt länger. Und wer
länger sitzt, beurteilt seine Gesundheit eher schlechter. Die
Befragten gaben zudem im Mittel an, rund 40 Minuten weniger zu
schlafen als der deutsche Durchschnitt. «Die haben Jetlags, das ist
einfach so. Weil sie eben zu ganz verschiedenen und ungünstigen
Zeiten spielen», sagte Froböse. Denn: Die Hälfte der Befragten spie
lt
als Hobby neben dem Job oder der Ausbildung.

Ein Großteil hat den Auskünften zufolge zudem Übergewicht. «Das ist

auffällig», sagte Froböse. Die E-Sport-Gruppe liege nämlich über
dem
Gesamtdurchschnitt in dieser jüngeren Referenzgruppe. Das sei auch
ein Grund, warum man sich mit E-Sportlern beschäftigen sollte. «Was
man hier sät, wird die Gesellschaft später ernten müssen», sagte er
.
Die Studie entstand in Kooperation mit der AOK Rheinland/Hamburg.

Folgt man den Antworten in den Fragebögen, trifft das Klischee vom
bewegungsfaulen Zocker gleichzeitig aber nicht zu. Nur 16 Prozent
gaben an, überhaupt keinen klassischen Sport zu betreiben. Die große
Mehrheit erklärte, etwa zum Fitnesstraining zu gehen oder zu joggen.

Der an der Studie nicht beteiligte Experte Jörg Müller-Lietzkow von
der Universität Paderborn warnte allerdings davor, an ein Bild vom
Durchschnittszocker zu glauben. «Den gemeinen E-Sportler gibt es
nicht. Es gibt ja auch nicht den gemeinen Fußballer, sondern es gibt
ebenso Profis in der Bundesliga bis zu Leuten, die ab und zu auf den
Bolzplatz gehen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Man muss
diese vielen Ebenen unterscheiden.»

Wer einen dauerspielenden Teenager im Haus hat, der im E-Sport Erfolg
haben will, muss sich daher auch nicht unbedingt Sorgen machen. «Es
kommt immer auf den gesunden Abstand an. Ich würde nicht
grundsätzlich davor warnen, in die E-Sport-Szene zu gehen. Man sollte
aber die Kontrolle über sein Leben behalten», sagte Klaus Wölfling
von der psychosomatischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz.
«Solange der Spieler das Gefühl hat, dass es um Entertainment geht,
man einen intakten Freundeskreis hat und auch in der Lage ist,
Abstinenzphasen einzulegen, ist alles okay.»