AKK arbeitet an Wiedervereinigung der CDU Von Jörg Blank, Antonia Hofmann und Hannah Wagner, dpa

Mit ihrer ersten wichtigen Personalentscheidung versucht Annegret
Kramp-Karrenbauer, den Ärger der Merz-Fans über ihren Sieg bei der
Vorsitzendenwahl zu dämpfen. Ob das ausreicht, ist offen.

Hamburg (dpa) - Annegret Kramp-Karrenbauer verliert keine Zeit. Kaum
hat sie die Zitterpartie bei der Kampfabstimmung mit Friedrich Merz
um das Partei-Erbe von Kanzlerin Angela Merkel gewonnen, macht sich
die neue CDU-Vorsitzende an die Wiedervereinigung. Selbst den Moment
der Entspannung beim Parteiabend in den Hamburger Messehallen, wo
sich die rund 1000 Delegierten von den Strapazen der ersten
Vorsitzendenwahl mit mehreren Kandidaten seit 47 Jahren erholen,
nutzt Kramp-Karrenbauer, um an einer neuen Einigkeit der Partei zu
bauen. Ihre Wahl soll nicht zu noch tieferen Gräben in der CDU
führen.

Kramp-Karrenbauer hat sich entschlossen, den Chef der Jungen Union
(JU), Paul Ziemiak, zu ihrem Generalsekretär zu machen. Doch das dem
Parteitag zu vermitteln, ist ein nicht ganz triviales Unterfangen.
Der Vorsitzende der Jugendorganisation kommt aus Nordrhein-Westfalen,
wie Kramp-Karrenbauers Gegenkandidaten Merz und der schon im ersten
Wahlgang mit einem Achtungserfolg aus dem Rennen ausgeschiedene
Gesundheitsminister Jens Spahn. Der 33-jährige Ziemiak ist ein Freund
von Spahn, auch für Merz hat er große Sympathien - beide kommen aus
dem Sauerland. Und nun ein Wechsel auf die AKK-Seite? 

Da könnten viele Delegierte Mauscheleien zulasten von Merz und Spahn
wittern - weder für Kramp-Karrenbauer noch für Ziemiak wäre es
zuträglich, würde solcher Verdacht bestehen bleiben. Die neue
Vorsitzende entschließt sich deshalb zur Vorwärtsverteidigung. Sie
weiß, dass viele der 482 Delegierten, die ihr Kreuz bei Merz gemacht
haben, die Schmach der Niederlage noch nicht verwunden haben.

Nachdem Merkel ihren Rückzug verkündet hatte, habe sie sehr früh
schon «mit dem Paul das persönliche Gespräch gesucht», und ihn
gefragt, ob er sich vorstellen könne, Generalsekretär zu werden, legt
Kramp-Karrenbauer die Vorgeschichte ihrer Entscheidung haarklein
offen. Ziemiak habe mit der Begründung dankend abgelehnt, sein Herz
und seine Loyalität gelte den beiden NRW-Kandidaten. «Das schätze
ich. Das ist auch richtig so, dass man zu seinen Loyalitäten steht»,
ruft Kramp-Karrenbauer den Delegierten zu - und mag dabei auch an ihr
eigenes Verhältnis zur Kanzlerin denken.

Nach ihrer Wahl habe sie das Ganze dann nochmal überdacht und sich
gesagt: «Das fühlt sich immer noch richtig an, genau diese
Entscheidung zu treffen und Paul nochmal zu fragen», erzählt
Kramp-Karrenbauer weiter. Man habe sich deshalb spät am Freitagabend
«am Rande der Tanzfläche - auch dafür ist ein Parteiabend ganz gut»
-
darüber «unterhalten, wie wir uns die Zusammenarbeit vorstellen». Sie

sei sehr froh, «dass Paul mir gestern Abend zugesagt hat, dass er in
dieses Team kommen will», sagt die Vorsitzende.

In puncto Ziemiak hilft an diesem Tag aber alles Werben durch die
Vorsitzende nur zum Teil. Bei seiner Wahl bekommt er einen Dämpfer,
nur knapp 63 Prozent geben dem Sauerländer ihre Stimme. Das maue
Ergebnis dürfte auch ein Ventil gewesen sein, mit dem sich
Merz-Anhänger ihren Frust über die Niederlage von der Seele wählten.


Und was macht Merz? Er sitzt in den Reihen der NRW-Delegierten. Der
Mann habe die Chance verstreichen lassen, mit einem wohl sehr guten
Ergebnis ins Parteipräsidium gewählt zu werden, sagt einer, der seit
langem zum engsten Führungszirkel der CDU gehört. Eine Mitarbeit dort
habe der 63-Jährige aber offensichtlich nicht gewollt.

Ob für Merz ein Wechsel ins Kabinett Merkel IV in Frage käme? Im
Kreis seiner Unterstützer können sie sich einen solchen Schritt
vorstellen. Doch ob es sich der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt antun
würde, sich der von ihm so scharf kritisierten Kanzlerin und der
Kabinettsdisziplin unterzuordnen? Wohl kaum, ist am Rande des
Parteitags zu hören. Nicht nur, dass Merz dafür seine lukrative
Arbeit etwa beim Vermögensverwalter Blackrock beenden müsste.

Auch Merkel dürfte kaum daran gelegen sein, sich neben CSU-Chef und
Innenminister Horst Seehofer einen zweiten Quälgeist in ihre
Regierung zu holen. Die Kanzlerin setzt darauf, dass nach ihrem
Rückzug aus dem Parteivorsitz und dem Votum für Kramp-Karrenbauer
endlich etwas Ruhe in ihre zerstrittene große Koalition einzieht. Da
würde Merz mit seinem knallharten wirtschaftskonservativem Kurs wohl
nur für neuen Sprengstoff mit der SPD sorgen.

Die neue Vorsitzende demonstriert den Delegierten am Samstag offen,
wie sie sich die Umsetzung des Parteitagsmottos «Zusammenführen. Und
zusammen führen» vorstellt. Sie und Kanzlerin Merkel nehmen CSU-Vize
Manfred Weber auf der Bühne in die Mitte, nachdem der Spitzenkandidat
der Europäischen Volkspartei für die Europawahl im Mai als Gastredner
scharfe Attacken gegen die Rechtspopulisten von der AfD gefahren hat.

Es war ein Wohlfühl-Moment der Einigkeit - nach den schmerzhaften
Auseinandersetzungen mit der kleinen Schwesterpartei, die im Sommer
fast zum Bruch der Koalition geführt hatten.

Später bei der Antragsberatung stecken Merkel und Kramp-Karrenbauer
am Präsidiumstisch auf der Bühne minutenlang die Köpfe zusammen.
Warum sollte die beiden mächtigen Frauen der CDU auch verbergen, dass
sie Sympathie verbindet. Kurz nachdem die Kanzlerin gegangen ist,
kommt Spahn vorbei. Noch weit länger als Merkel spricht und scherzt
der langjährige Kanzlerinnen-Kritiker mit AKK.

Schon beim Parteiabend in der Nacht zuvor dokumentieren Merkel,
Kramp-Karrenbauer und Spahn, dass sie gewillt sind, für eine
geschlossene CDU an einem Strang ziehen. Bei Wein und Häppchen zeigen
sich die drei angeregt ins Gespräch vertieft. Keine Spur von
Spaltung, soll das sicher auch heißen.

Am Samstagmorgen um 8.30 Uhr bekommt Kramp-Karrenbauer jedenfalls
schon viele Glückwünsche zu hören, als zum ersten Mal seit 18 Jahren

sie und nicht Merkel den traditionellen Aussteller-Rundgang am Rande
des Parteitags absolviert. Am Stand des Deutschen Baugewerbes haben
Zimmerleute ein besonderes Geschenk für sie parat: ein kunstvoll
gefertigter «Zimmerer-Stern» wird ihr überreicht - er soll Glück
bringen. Das wird sie gut brauchen können in den nächsten Wochen.