Nervosität in der CDU vor Abstimmung über Merkel-Nachfolge

«Das ist Demokratie pur.» Die Kanzlerin zeigt sich zufrieden mit dem
Mehrkampf um ihre Nachfolge. Das gab es in der Partei so noch nie -
auch nicht in ihren 18 Jahren als Parteichefin.

Hamburg (dpa) - Unmittelbar vor der Abstimmung über die Nachfolge von
CDU-Chefin Angela Merkel herrscht in der Partei große Nervosität. Auf
dem am Freitag beginnenden Parteitag in Hamburg wird ein Kopf-an-
Kopf-Rennen zwischen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und
dem früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz erwartet. Es gab
Befürchtungen, dass eine Kampfabstimmung die Spaltung in der Partei
vertiefen könnte. Führende CDU-Vertreter gaben in den vergangenen
Tagen Wahlempfehlungen für ihre Favoriten ab, allen voran
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der sich für Merz aussprach.


Kanzlerin Merkel, die sich bisher nicht öffentlich geäußert hat,
welchen Kandidaten sie favorisiert, zeigte sich vor der Abstimmung
gelassen. Auf die 1001 Delegierten des zweitägigen Parteitages «kommt
natürlich eine wichtige Aufgabe zu, damit auch die Weichen für die
zukünftige Führungsmannschaft zu stellen», sagte Merkel am Donnerstag

bei einem Rundgang durch die Parteitagshalle in Hamburg. «Das ist
Demokratie pur, wenn Auswahl besteht. Und den Rest werden die
Delegierten entscheiden.»

Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte die Empfehlung Schäubles für
Merz kritisiert. Er selbst habe seine Präferenz für Kramp-Karrenbauer
bislang aus Respekt vor den Delegierten nicht öffentlich geäußert,
sagte er der «Rheinischen Post» (Donnerstag). «Da Wolfgang Schäuble

nun den Damm gebrochen hat, kann ich sagen: Ich bin überzeugt, dass
wir mit Annegret Kramp-Karrenbauer die beste Chance haben, die CDU zu
einen und Wahlen zu gewinnen.»

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte in Hamburg, der
Ausgang der Wahl sei offen. Neben Kramp-Karrenbauer und Merz gilt
Gesundheitsminister Jens Spahn noch als ernstzunehmender Kandidat.
Ihm wurde in der Partei aber allenfalls ein Achtungserfolg zugetraut.

Bouffier sagte: «Ich werde keine Empfehlung abgeben, weil ich respekt
vor den Delegierten habe.» Es gehe nach der Wahl vor allem darum, wie
es insgesamt in der Partei weitergehe. NRW-Ministerpräsident Armin
Laschet, aus dessen Landesverband Merz und Spahn kommen, sprach sich
ebenfalls gegen Wahlempfehlungen aus.

Der Nachfolger von Kramp-Karrenbauer im Amt des saarländischen
Ministerpräsidenten, Tobias Hans, zeigte sich überzeugt, dass
Kramp-Karrenbauer in der Lage sei, die CDU wieder zusammenzuführen.
Kramp-Karrenbauer selbst warnte vor einem Auseinanderdriften der
Partei. «Wichtig ist - und das wissen, glaube ich, alle drei
Kandidaten - dass die CDU auch nach der Wahl morgen geschlossen
bleibt», sagte sie im ZDF-«Morgenmagazin».

Spahn sah kein Problem in den öffentlichen Wahlempfehlungen. «Es ist
das gute Recht jedes Delegierten, zu sagen, für wen man stimmen will
und auch warum. Das gehört zu solch einem Verfahren dazu», sagte er
im Fernsehsender Phoenix. Entscheidend sei, dass niemand beschädigt
werde und die CDU danach noch genauso geschlossen und gut
weitermachen könne wie bisher. JU-Chef Paul Ziemiak äußerte sich
ähnlich. Man dürfe nur nicht schlecht über die anderen Kandidaten
reden. «Und das hat keiner getan.»

Schäuble hatte sich für Merz als Merkel-Nachfolger ausgesprochen -
und dabei nicht nur auf die Bedeutung der Entscheidung für die Partei
verwiesen, sondern auf Deutschland insgesamt: «Es wäre das Beste für

das Land, wenn Friedrich Merz eine Mehrheit auf dem Parteitag
erhielte», sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

CDU-Bundesvize Thomas Strobl rief seine Partei zur Geschlossenheit
auf. «Nach dem Freitag kommt der Samstag, und da müssen sich dann
alle, egal für wen sie vor der Wahl waren, hinter der oder dem neuen
Vorsitzenden versammeln», sagte Strobl der «Heilbronner Stimme»
(Freitag).

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) wandte sich energisch gegen
Spekulationen über eine vorgezogene Neuwahl mit einem Wechsel im
Kanzleramt. «Die Wähler haben bei der Bundestagswahl 2017 der Union
und Angela Merkel als Spitzenkandidatin den Regierungsauftrag für die
gesamte Wahlperiode erteilt», sagte Brinkhaus der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. «Wir haben diese Aufgabe zu erfüllen.
Darauf müssen wir uns konzentrieren.»

Der Parteitag soll nach dem Willen des Bundesvorstandes zum
umstrittenen UN-Migrationspakt einen Beschluss fassen. Wie der
Vorsitzende der Antragskommission, Thomas de Maizière, mitteilte,
soll ein ein entsprechender Antrag auf dem Parteitag verabschiedet
werden. Mit diesem Vorgehen will der Vorstand ganz offensichtlich den
Kritikern des Paktes die Möglichkeit nehmen, mit einem eigenen Antrag
einen ablehnenden Beschluss zu dem Pakt herbeizuführen.

CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler erläuterte nach Sitzungen d
er
Parteigremien, bisher gebe es nur drei Kandidaten. Das könne sich
aber noch ändern, wenn auf dem Parteitag weitere Kandidaten
vorgeschlagen werden. Bei der Wahl gelte, dass ein Kandidat die
Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereinen müsse.
Sei dies im ersten Durchgang nicht möglich, komme es zu einer
Stichwahl.

Schüler ließ erkennen, dass die Wahl der gesamten Parteispitze schon
am Freitag, dem ersten Tag des Kongresses, abgeschlossen werden
könnte. Offen ist, ob auch schon ein neuer Generalsekretär gewählt
wird. Zu dem Parteitag werden mehr als 1600 akkreditierte
Journalisten aus aller Welt erwartet.