Strengere Regeln als Konsequenz aus Medikamenten-Skandalen Von Sascha Meyer, dpa
Für Millionen Patienten sind Medikamente Vertrauenssache: Dass drin
ist, was draufsteht. Dass nichts drin ist, was nicht hineingehört.
Nach mehreren dubiosen Fällen will die Regierung jetzt nachsteuern.
Berlin (dpa) - Als Konsequenz aus Pharmaskandalen um gestohlene und
gepanschte Arzneimittel will sich der Bund stärker in die Überwachung
einschalten und Marktregeln verschärfen. «Patienten müssen sich
darauf verlassen können, dass Medikamente heilen und ihnen nicht
schaden», sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in
Berlin. Per Gesetz soll unter anderem festgelegt werden, Kontrollen
und Rückrufe der zuständigen Länder stärker zentral zu koordinieren
.
Müssen Medikamente wegen Qualitätsmängeln ausgetauscht werden, sollen
Patienten dafür nicht nochmals etwas zuzahlen müssen. Auch für
Apotheken und Heilpraktiker sollen strengere Vorgaben kommen.
Viele Menschen seien durch die jüngsten Skandale verunsichert worden,
ob ihre Arzneimittel sicher sind, sagte Spahn. Darauf solle nun mit
neuen Regeln reagiert werden. Da war der Fall von Blutdrucksenkern
mit dem Wirkstoff Valsartan, die bei einem chinesischen Zulieferer
mit einem womöglich krebserregenden Stoff verunreinigt wurden. In
einem anderen Fall steht das Brandenburger Unternehmen Lunapharm im
Fokus, das in Griechenland gestohlene Krebsmedikamente an Apotheken
und Großhändler in mehreren Bundesländern vertrieben haben soll. Ein
Apotheker aus Bottrop war zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil
er Krebsmedikamente mit zu wenig Wirkstoff hergestellt hatte.
Als Reaktion darauf will Spahn die Überwachung schlagkräftiger machen
und finanzielle Anreize für Betrügereien beseitigen. Das Gesetz soll
zum 1. Juli 2019 in Kraft treten, zuvor muss auch der Bundesrat noch
zustimmen. Ein Überblick über zentrale Punkte:
RÜCKRUFE UND KONTROLLEN - Das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte sowie das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut sollen
nicht nur akute Amtshilfe leisten, sondern generell für eine engere
Abstimmung mit den Ländern sorgen - auch um Versorgungsengpässe wegen
zurückgerufener Medikamente zu vermeiden. Rechtlich verankert werden
sollen mehr unangemeldete Inspektionen beispielsweise in Apotheken,
die Krebsarzneimittel herstellen. Der Bund soll informiert werden,
wenn Länder-Kontrolleure zu Herstellern außerhalb der EU etwa nach
China oder Indien reisen - und eigene Experten mitschicken können.
FINANZIELLE ANREIZE - Kommt es wegen Qualitätsmängeln zu Rückrufen,
sollen die Krankenkassen Geld beim Pharma-Hersteller zurückfordern
können. Das soll das wirtschaftliche Interesse der Unternehmen an
einwandfreien Produkten erhöhen, erwarten die Ministeriumsexperten.
Patienten sollen dann auch nicht noch mal etwas zuzahlen müssen, wenn
sie mit einem Rezept für ein neues Medikament in die Apotheke kommen.
Wenn Apotheker Krebsarzneimittel herstellen, sollen sie dafür künftig
einen festen «Arbeitspreis» von 110 Euro von der Kasse bekommen - und
nicht mehr selbst mit dem Hersteller über Preise verhandeln. Das soll
Versuchungen vermeiden, dabei vor allem an eigene Gewinne zu denken.
HEILPRAKTIKER: Angesichts eines Falls mit zweifelhaften Infusionen
bei Krebspatienten sollen mehrere Regeln für Heilpraktiker verschärft
werden. So ist fürs Herstellen verschreibungspflichtiger Mittel
künftig generell eine amtliche Erlaubnis erforderlich. Anwendungen
mit Frischzellen an Menschen sollen verboten werden.
Spahn setzt auf mehr Sicherheit durch die Neuregelungen, macht aber
auch deutlich: Es wäre naiv zu glauben, dass jede Form krimineller
Energie damit ausgeschlossen sei. Hintergrund ist auch, dass es für
Medikamente längst globale Lieferketten und Vertriebswege gibt.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sprachen von einem
«guten Signal» für die Patientensicherheit. Wichtig sei aber auch,
dass bei Rückrufen künftig die Pharmaunternehmen die Kosten für
notwendige Ersatzmedikamente zahlen müssten - «und nicht mehr die
Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten dafür zur Kasse
gebeten wird», sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands.
Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus sagte:
«Die jüngsten Arzneimittelskandale sind auch ein Versagen der
Aufsicht.» Deshalb seien bessere Überwachungsmechanismen bei den
Behörden nötig. Erweiterte Bundeskompetenzen seien dafür richtig.
In dem Gesetzespaket geregelt werden daneben unter anderem auch
Rechtsgrundlagen für elektronische Rezepte, die bis 2020 kommen
sollen, und Erleichterungen für den Bezug von medizinischem Cannabis.
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