15-Jähriger wegen Mordes an Mitschülerin Keira vor Gericht Von Jutta Schütz und Anne Baum, dpa

Für die Mutter ist es ein schwerer Gang: Erstmals sieht sie den
mutmaßlichen Mörder, sitzt ihm im Gericht gegenüber. Sie hatte ihre
sterbende Tochter in der Wohnung gefunden. Keira wurde nur 14 Jahre
alt.

Berlin (dpa) - Rund ein halbes Jahr nach der tödlichen Messerattacke
auf die Schülerin Keira in Berlin steht ein 15-Jähriger vor Gericht.
Dem Jugendlichen wird Mord aus Heimtücke, niederen Beweggründen und
Mordlust vorgeworfen, wie die Sprecherin des Berliner Landgerichts,
Lisa Jani, sagte. «Das ist ein außergewöhnlicher Fall», betonte
Anwalt Roland Weber, der die Mutter der erstochenen 14-Jährigen als
Nebenklägerin begleitete.

Karin G. - mit schwarzem Pullover und weißem Schal - saß dem
mutmaßlichen Mörder zum Prozessauftakt am Dienstag erstmals
persönlich gegenüber. Sie fixierte den Mitschüler von Keira mit
hochkonzentriertem Blick. Die 41-Jährige kannte ihn nur aus
Erzählungen ihrer Tochter.

Zum Prozessauftakt schwieg der deutsche Angeklagte nach Angaben von
Weber. «Wir haben vom Angeklagten nichts gehört.» Es könne aber sei
n,
dass er sich später äußere. Dass Mordlust bei einem Jugendlichen
angeklagt ist, sei sehr selten. Das bedeute, aus Freude darüber zu
töten, ein anderes Leben zu vernichten, so Weber in einer
Prozesspause. Die Verhandlung werde zeigen, ob sich der Vorwurf
bestätige und ob der Angeklagte überhaupt schuldfähig sei. «Derzeit

kann man zum Motiv gar nichts sagen», meinte Weber, der auch
Opferbeauftragter des Landes Berlins ist.

Eine Jugendstrafkammer des Gerichts verhandelt hinter verschlossenen
Türen, da der in U-Haft sitzende Angeklagte erst 15 ist. Die
Öffentlichkeit war nur für etwa zwei Minuten zugelassen, als eine
Schöffin vereidigt wurde. Der Angeklagte im grauen Kapuzenshirt
verbarg sein Gesicht hinter einem Stück Papier. Später sagte Anwalt
Weber, er habe einfach nur dagesessen. Ob er Reue gezeigt habe? «Nach
außen war dem Angeklagten nichts anzumerken.» Bei einer Verurteilung
wegen Mordes droht eine Jugendstrafe von maximal zehn Jahren.

Der Schüler, der auf dieselbe Schule ging, soll die ein Jahr jüngere
Keira am 7. März mit 24 Stichen eines Küchenmessers in Hals,
Oberkörper und Rücken in ihrer Wohnung in Berlin-Alt-Hohenschönhausen

umgebracht haben, war am Rande des Prozesses zu hören. Einer der
Stiche habe ins Herz getroffen. Der Tod von Keira hatte bundesweit
Entsetzen und Fassungslosigkeit ausgelöst.

In Ermittlerkreisen hieß es, dass beide zu Hausaufgaben verabredet
gewesen seien. Der Schüler der 9. Klasse soll Gummihandschuhe und
eine Kopfhaube dabei gehabt haben. Laut Staatsanwaltschaft wurde
Keira nach einem Tatplan umgebracht.

Zu Spekulationen, die 14-Jährige habe sich töten lassen wollen, gebe
es keine Anhaltspunkte, sagte Weber. Es sei ihm auch nichts von
Killerspielen bekannt. Alle seien aus «ganz normalen, geordneten
Verhältnissen» gekommen. «Meine Mandantin erhofft sich umfassende
Aufklärung», obwohl es belastend für sie sei.

Karin G. hatte ihre blutüberströmte Tochter ihm Wohnzimmer gefunden,
als sie von der Arbeit kam. Mediziner schafften es nicht mehr, Keira
zu retten. Die Verantwortung für ihre Tochter habe nicht mit ihrem
Tod aufgehört, deshalb gehe sie auch zu dem Prozess, hatte die
41-Jährige der Deutschen Presse-Agentur bei einem Gespräch in ihrer
Wohnung gesagt. «In meinem Leben ist nichts mehr so, wie es war. Und
es gibt nichts, was es wieder gut macht. Meine Tochter bleibt tot.»

Im Zimmer von Keira, die Eisschnellläuferin war, steht der Rucksack
mit den Schlittschuhen noch so da, als würde sie gleich mit dem
Fahrrad zum Training starten. Auch der Helm liegt bereit. Keira
trainierte beim Berliner TSC und war im Januar in ihrer Altersklasse
Berliner Meisterin über 1000 sowie 1500 Meter geworden.

Sie sei bei vielen Wettkämpfen mit dabei gewesen, hatte die Mutter
erzählt. Zusammen seien sie verreist, Paris und Rom sollten die
nächsten Ziele sein. «Keira hatte mindestens 20 beste Freunde, sie
kannte Hinz und Kunz mit ihrer positiven Ausstrahlung, war beliebt an
ihrer Schule, wo sie nur Koko genannt wurde.»

Jeden Tag geht Karin G. zum Friedhof, wo sie das Urnengrab immer
wieder mit Lilien und Rosen schmückt. Zu ihrer Familie gehörten jetzt
noch ihre Eltern und ein Kater. Sie habe zwar viel Empathie erfahren,
aber Andere aus ihrem Umfeld seien weggeblieben. «Viele können mit
dem Tod nicht umgehen, sind hilflos. Und eigentlich passiert doch so
etwas Schlimmes nur im Film, aber nicht im realen Leben», hatte die
allein lebende Mutter gesagt.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite