Studie: Rechtschreibung lernt sich nach alter Fibelmethode am besten Von Yuriko Wahl-Immel, dpa
Viele Grundschüler haben Defizite beim Lesen und bei der
Rechtschreibung. Psychologen haben drei etablierte Lernmethoden
untersucht. Nur eine bekommt eine Top-Note.
Bonn/Dortmund (dpa) - Grundschüler lernen Rechtschreibung am besten
nach der klassischen sogenannten Fibelmethode. Zu diesem Ergebnis
kommt eine Bonner Studie, bei der die Lernerfolge von gut 3000
Grundschulkindern in Nordrhein-Westfalen analysiert wurden. Andere
Ansätze wie «Lesen durch Schreiben» und «Rechtschreibwerkstatt»
schnitten weitaus schlechter ab. Die Ergebnisse werden an diesem
Montag bei einer Tagung der Gesellschaft für Psychologie in Frankfurt
vorgestellt.
Bei der Fibelmethode werden Buchstaben und Wörter schrittweise und
nach festen Vorgaben eingeführt. Danach lernende Kinder hatten mit
Abstand die besten Rechtschreibkenntnisse, wie Una Röhr-Sendlmeier
vom Institut für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
berichtet. Das Psychologenteam hatte über mehrere Jahre hinweg die
Rechtschreibkenntnisse von Grundschulkindern in NRW verglichen, die
nach drei verschiedenen Methoden Lesen und Schreiben lernten.
Viele Eltern seien in Sorge, weil ihre Kinder zum Ende der
Grundschule die Rechtschreibregeln kaum beherrschten, so
Röhr-Sendlmeier. «Sie fragen, ob dies auch mit der eingesetzten
freien Lehrmethode zusammenhängen könnte, nach der die Kinder nur
nach ihrem Gehöreindruck schreiben sollen.»
Blick zurück: Das lange gängige Fibel-Lernen war mancherorts vor
allem vom «Lesen durch Schreiben» nahezu verdängt worden, bis sich
daran immer mehr Kritik entzündete, wie Bildungsforscherin Nele
McElvany von der Universität Dortmund erläutert. «Tatsächlich ist
problematisch, dass es praktisch keine empirischen Studien gibt, was
die Wirksamkeit dieser Methode angeht.» Die Idee: Schüler sollen
möglichst viel frei schreiben und das Lesen darüber mitlernen.
Korrekturen falsch geschriebener Wörter sind unerwünscht, weil das
die Kinder demotiviere.
Dabei könne man Schüler sehr wohl Regeln und Prinzipien einüben
lassen und sie zugleich mit positivem Feedback ermutigen, erklärt
McElvany. Das Fibel-Lernen sei regelgeleitet, baue strukturiert
aufeinander auf und setze auf Übungsphasen. Das Ergebnis der
Psychologen mit der Top-Note für den Fibel-Ansatz hält sie für «nic
ht
unplausibel».
Der beteiligte Bonner Wissenschaftler Tobias Kuhl erläutert zu der
Forschungsarbeit: «Wir sind wertfrei rangegangen.» Das «Lesen durch
Schreiben» und die «Rechtschreibwerkstatt» führten nachweislich zu
vielen Fehlern. Ein fest vorgegebener Ablauf vom Einfachen zum
Komplexen habe sich als klar überlegen erwiesen.
Die mehr als 3000 Kinder wurden Kuhl zufolge zunächst nach ihrer
Einschulung auf ihre Vorkenntnisse getestet. Danach seien fünfmal
jeweils halbjährlich Diktate ausgewertet worden - immer waren
Fibelkinder die leistungsstärksten. Schüler, die mit «Lesen durch
Schreiben» unterrichtet wurden, machten am Ende der vierten Klasse im
Schnitt 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler, «Werkstatt»-Schüler sogar
105 Prozent mehr als Fibelkinder. Auch Schüler, deren Muttersprache
nicht Deutsch war, profitierten vom «Fibel»-Ansatz.
McElany zufolge lässt die Studie allerdings offen, ob es bei der
Einschulung schon unterschiedliche Voraussetzungen bei den Kindern
gab und inwieweit diese im Schulverlauf erhalten blieben. Angesichts
der teils dramatisch schwachen Kompetenzen sei eine Methodendebatte
wichtig. Orthografie sei Fleißarbeit und müsse in den ersten
Schuljahren geübt werden. «Es ist wie auch das Lesen eine
Kernkompetenz, die Grundschüler lernen müssen. Dafür brauchen sie in
den Schulen und zuhause den zeitlichen Raum.»
Der Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU von Ende 2017 zufolge kann
jeder fünfte Zehnjährige in Deutschland nicht so lesen, dass er den
Text auch versteht. Und der bei Viertklässlern erhobene
IQB-Bildungstrend 2016 ergab, dass nur 55 Prozent orthografische
Regelstandards erreichen oder übertreffen.
Der Bildungsverband VBE zeigte sich hinsichtlich der neuen Ergebnisse
skeptisch. Grundsätzlich sei es «nicht zielführend», die
Rechtschreibfähigkeit als einzelnen Aspekt losgelöst von allen
anderen Lernprozessen zu untersuchen. Der Vorsitzende Udo Beckmann
meint: «Eine einseitig festgelegte Rückkehr zum Unterricht mit der
Fibel ist keine Lösung.»
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.