Krieg im Kopf: Zahl der Trauma-Erkrankungen bei Soldaten bleibt hoch Von Nico Pointner, dpa

Die Explosion einer Bombe, der Anblick eines Massakers, der Beschuss
aus dem Hinterhalt - solche Erlebnisse können bei Soldaten Traumata
auslösen. Das Problem zeigt sich oft erst Jahre später.

Berlin (dpa) - Auch Jahre nach dem Ende des Kampfeinsatzes der
Bundeswehr in Afghanistan geht die Zahl der an Kriegstraumata
erkrankten Soldaten kaum zurück. Im Jahr 2017 wurde bei 170 Soldaten
eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) neu diagnostiziert,
wie der Sanitätsdienst der Bundeswehr der Deutschen Presse-Agentur
mitteilte. Im Vorjahr waren es fünf Fälle mehr. Heute befinden sich
weniger deutsche Soldaten im Auslandseinsatz und werden seltener in
Gefechte verwickelt wie etwa zu Hochzeiten des Afghanistan-Einsatzes.

«Theoretisch müssten die Zahlen runtergehen», sagte ein Sprecher des

Saniätsdienstes. Bei der Bundeswehr erklärt man sich das annähernd
gleichbleibende Niveau der Neuerkrankungen vor allem damit, dass die
Symptome zeitverzögert auftreten können. Es sei normal, dass ein
Patient erst nach vielen Jahren zum Arzt gehe, sagte der Sprecher.

«Manche Folgen treten erst später auf», meinte auch der
Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels. Zudem sei die
Sensibilität für das Thema gewachsen. «PTBS wird heute in weiten
Teilen angesehen wie physische Verwundung» sagte der SPD-Politiker.
«Das kann auch einem starkem Menschen passieren.» Es gebe hoch
anerkannte Experten und Unterstützung durch zivile Therapeuten.

Man habe etwa mit anonymen Formularen und einer Hotline geholfen, die
Hemmschwelle bei den Soldaten zu senken, sagte der Sprecher des
Sanitätsdienstes. Die Bundeswehr will die Zahl der Therapeuten
aufstocken. Die personelle Lage werde sich auf der Zeitschiene
merklich verbessern, da verstärkt Ärzte die notwendige
Facharztausbildung begonnen haben. Bartels forderte, dass die
Stellen, die neu geschaffen wurden, zügig besetzt werden. Die
Wartezeiten für die Behandlung müssten zudem weiter verkürzt werden.


Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine psychische
Erkrankung. Sie wird durch traumatische Ereignisse wie
Gewaltverbrechen oder Kriegshandlungen ausgelöst, denen sich die
Betroffenen hilflos ausgeliefert fühlen. Unter den deutschen
Soldaten, die wegen PTBS ärztliche Hilfe suchen, bilden die
Afghanistan-Rückkehrer seit Jahren die größte Gruppe.

56 Bundeswehr-Soldaten sind in Afghanistan seit 2002 ums Leben
gekommen - das macht die Mission zur verlustreichsten in der
Geschichte der Truppe. Früher waren zeitweise mehr als 5000 deutsche
Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Derzeit sind es noch rund 1100.
Der Kampfeinsatz der Nato in Afghanistan endete 2014. Die Bundeswehr
ist nur noch zur Ausbildung und Beratung der afghanischen
Streitkräfte im Land. Deutsche Soldaten dürfen nur zur Waffe greifen,
um extreme Gefahr von sich und Verbündeten abzuwenden. 2015 zählte
die Bundeswehr noch 235 PTBS-Neuerkrankungen.

Auch in vermeintlich friedlicheren Missionen können Soldaten Experten
zufolge an PTBS erkranken. «Das kommt immer auf die Situation an»,
sagte der Sprecher des Sanitätsdienstes. Auch im Kosovo könne eine
Demonstration in Gewalt ausarten. «Scheinbar harmlose Einsätze wie
die Seeraumüberwachung im Mittelmeer können zur Belastung werden,
wenn ein Soldat ertrinkende Flüchtlinge sieht», sagte Bartels.

Andere einsatzbedingte psychische Störungen wie Depressionen gehen
dem Sanitätsdienst zufolge zurück. 2017 seien 104 solche Störungen
neu festgestellt worden, 2016 seien es noch 143 gewesen. Der
Sanitätsdienst erklärt sich den Rückgang an psychischen Erkrankten
«mit der Abnahme der Intensität der Auslandseinsätze». Aktuell sind

nach Angaben des Einsatzführungskommandos rund 4500 deutsche Soldaten
in Auslandseinsätzen weltweit.

Der Wehrbeauftragte Bartels schrieb in seinem aktuellen Jahresbericht
2017 von einer steigenden Zahl an Soldaten, die wegen einer
einsatzbedingten psychischen Erkrankung in einer psychiatrischen
Abteilung oder psychiatrischen Fachuntersuchungsstelle der Bundeswehr
untersucht, behandelt oder begutachtet werden. 2017 waren es demnach
784 Soldaten (2016: 751). Dabei werden aber nicht nur
Neuerkrankungen, sondern auch Altfälle gezählt. Neben PTBS würden
andere einsatzbedingte psychische Störungen wie Depressionen,
Anpassungsstörungen und Suchterkrankungen an Bedeutung gewinnen,
schrieb Bartels.

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