Grüne und FDP kritisieren Spahns Pläne für Krankenkassen

Sinkende Beiträge für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen -
das klingt für die Versicherten erstmal gut. Doch die politischen
Reaktionen auf den Vorstoß des neuen Gesundheitsministers sehen
anders aus.

Berlin (dpa) - Grüne und FDP haben die Pläne für eine
Milliarden-Enlastung der gesetzlich Krankenversicherten deutlich
kritisiert - aus unterschiedlichen Gründen. Die
Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink monierte, dass
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Kassen zwingen will,
ihre zum Teil hohen Rücklagen abzubauen. «Spahn greift hier ohne Sinn
und Verstand in die Wirtschaftsplanung der Kassen ein», erklärte sie
am Samstag. Das führe zu einem «Beitrags-Jojo», der für die
Versicherten kaum etwas bringe. «Das Geld wird im kommenden Jahr
dringend gebraucht, um die Kosten für die Verbesserungen bei der
Pflege und auch bei der Versorgung im ländlichen Raum zu
finanzieren.»

Spahn will die Beitragszahler per Gesetz zum einen dadurch besser
stellen, dass - wie im Koalitionsvertrag vorgesehen - die bisher
allein von ihnen zu zahlenden Zusatzbeiträge ab Anfang 2019 zu
gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen werden.
Kassenmitglieder und Rentner sollen um 6,9 Milliarden Euro entlastet
werden - im Gegenzug werden Arbeitgeber und Rentenversicherung um 6,9
Milliarden Euro belastet. Zudem will Spahn Kassen mit hohen
Finanzreserven zu deren Abbau verpflichten. Daraus ergibt sich nach
seinen Berechnungen ein Entlastungsvolumen von weiteren rund 4
Milliarden Euro.

In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung » (Montag) verteidigte Spahn
seine Pläne: «Es geht bei unserem Vorschlag um
einen Abbau von maximal 4,5 Milliarden Euro von derzeit 20
Milliarden Euro Rücklagen bei den Krankenkassen»,
erläuterte der Minister. Mit den weiteren rund 9 Milliarden
Euro an Rücklagen beim Gesundheitsfonds, der zentralen
Beitragssammelstelle der gesetzlichen Krankenversicherung,
stünden daher trotz Entlastung noch 24 Milliarden Euro
als Rücklagen bereit. «Das Geld für die nötigen Reformen geht uns
also nicht aus.»

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer
kritisierte die vorgesehene Belastung der Arbeitgeber. Dies zeige,
«dass die Union nichts verstanden hat», erklärte er am Samstag. «We
nn
die Sonne scheint, muss man das Dach flicken. Wir müssen heute die
Voraussetzungen für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen

Wirtschaft schaffen. Die Beitragserhöhung für Arbeitgeber ist da ein
fatales Signal.» Die geplante Pflicht zur Abschmelzung der Rücklagen
sei hingegen ein Schritt in die richtige Richtung, «denn Sozialkassen
sind keine Sparkassen».

Kritik kam auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz: «Bevor
sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als Beitragssenker feiern
lassen kann, muss er seine Hausaufgaben machen», sagte der
Vorsitzende Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Schließlich
explodierten gerade die Kosten der Pflegeheimbewohner, unter anderem
weil sie die medizinische Behandlungspflege als Teil des jeweiligen
Eigenanteils selbst zahlen müssten. Das seien für jeden der 780 000
betroffenen Pflegebedürftigen im Heim monatlich 300 Euro.

«Diese insgesamt drei Milliarden Euro jährlich müssen jetzt von der
gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden», verlangte
Brysch. Es könne nicht sein, dass Pflegebedürftige in Heimen
schlechter gestellt werden als zuhause. Denn hier zahlt die
gesetzliche Krankenversicherung die medizinische Behandlungspflege
schon immer in vollem Umfang.»

Spahns Entlastungspläne waren auch schon vom Koalitionspartner SPD
kritisiert worden. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sagte den
Zeitungen der Funke Mediengruppe, das Geld werde dringend für die
Finanzierung der Pflege gebraucht. «Wenn wir jetzt die Rücklagen der
Kassen abschmelzen, haben wir auf Dauer nicht genug Mittel, um gegen
den Pflegenotstand anzugehen.» Spahns Vorschlag werde dazu führen,
dass die Krankenkassenbeiträge schon in dieser Wahlperiode wieder
steigen müssten. «Wir werden ihn so nicht mittragen.»