Hirn-Computer aus: Stephen Hawking, die Freude am Leben und der Tod Von Silvia Kusidlo, dpa
Ein Leben nach dem Tod - daran glaubte Stephen Hawking nicht. Für ihn
war das menschliche Gehirn ein Computer. Trotz schwerster Krankheit
erfüllte er sich seine Träume und wurde zum Wissenschaftsstar.
Cambridge (dpa) - Wenn Stephen Hawking etwas sagte, lauschte die
Welt. Jahrzehntelang konnte sich der schwer kranke Astrophysiker aus
Großbritannien nur noch über einen Sprachcomputer mitteilen. Doch das
hielt ihn von hochkomplexen Themen nicht ab: Gibt es einen Gott? Ist
noch anderes Leben im Universum? Kann die Menschheit auf einen
fremden Himmelskörper übersiedeln, wenn die Erde unbewohnbar wird?
Jetzt ist das Genie im Alter von 76 Jahren in Cambridge gestorben.
Ärzte hatten Hawking mit Anfang 20 vorausgesagt, dass er binnen drei
Jahren an der Muskelschwäche Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sterben
werde - er lebte noch mehr als ein halbes Jahrhundert nach der
Diagnose. Den Spaß am Leben und Forschen ließ er sich nicht nehmen.
Hawking bereiste die ganze Welt, darunter Russland, Japan und China,
wie er in seiner Autobiografie «Meine kurze Geschichte» berichtete.
Er ist U-Boot und Heißluftballon gefahren und hat einen Parabelflug
in Schwerelosigkeit in einer umgebauten Boeing absolviert. Nur die
ersehnte Reise mit einer Rakete ins All schaffte er nicht mehr.
Seine Krankheit trieb seinen Ehrgeiz an. Angst vor dem Tod hatte er
nicht. Ein Jenseits allerdings hielt Hawking für ausgeschlossen. «Ich
sehe das Gehirn als einen Computer an, der aufhört zu arbeiten, wenn
seine Einzelteile nicht mehr funktionieren», sagte er der Zeitung
«The Guardian». «Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte
Computer; das ist ein Märchen für Leute, die Angst im Dunkeln haben.»
Menschen mit funktionierender «Hardware» sollten seiner Ansicht nach
den größtmöglichen Wert aus ihren Taten schöpfen. Für Hawking sel
bst
bedeutete das, Licht ins Dunkel des Universums und unserer Herkunft
zu bringen. Schwierigste Theorien machte er Laien verständlich; sein
Buch «Eine kurze Geschichte der Zeit» (1988) wurde zum Bestseller.
In Wissenschaftskreisen fand seine Arbeit größte Anerkennung. Er
hatte drei Jahrzehnte den Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik an der
Uni Cambridge inne - und war damit ein Nachfolger Isaac Newtons.
Zu seinen bedeutendsten Erfolgen gehörte, dass er Anfang der 70er
Jahre voraussagte, dass Schwarze Löcher - riesige, extrem massereiche
Objekte im Kosmos - unter bestimmten Umständen Energie verlieren. In
Anlehnung an Albert Einstein war er jahrelang auf der Suche nach
einer Formel, mit der sich die widerstreitenden Theorien über
Relativität und Quantenphysik zusammenfügen ließen.
Was Hawking so faszinierend machte, war nicht nur seine Schwäche für
die großen Fragen der Menschheit. Es schien auch die Symbolik zu
sein, die bei seinen Auftritten mitschwang: Er konnte nicht mehr ohne
Hilfe schreiben, nicht sprechen - aber mit dem Kopf reiste er zu den
Sternen. «Ich bin der Archetypus eines behinderten Genies», sagte
einmal. «Die Menschen sind fasziniert von dem Gegensatz zwischen
meinen extrem eingeschränkten körperlichen Fähigkeiten und den
gewaltigen Ausmaßen des Universums, mit dem ich mich beschäftige.»
Sein ungewöhnliches Leben wurde verfilmt: Der Brite Eddie
Redmayne verkörperte das Genie in dem Film «Die Entdeckung der
Unendlichkeit» - und bekam dafür 2015 einen Oscar.
In seinen letzten Jahren wurde Hawking immer mehr zum Mahner: Er
warnte die Menschheit vor einem selbst verschuldeten Untergang, etwa
durch die Erderwärmung oder künstliche Viren. Auch Maschinen traute
er nicht - sie könnten eines Tages klüger werden als ihre Schöpfer.
Hawking entwickelte Ideen für eine Übersiedlung der Menschheit auf
andere Himmelskörper. «Früher oder später müssen wir zu den Stern
en
schauen.» Gemeinsam mit dem russischen Milliardär Jurij Milner wollte
er eine Armee winziger Raumfähren auf eine 20-jährige Reise schicken,
um das Sternsystem Alpha Centauri auszukundschaften.
Das Weltall zog Hawking seit seiner frühesten Jugend an. Schon in der
Schule hatte er den Spitznamen «Einstein». Nach dem Abschluss
studierte er ein paar Semester Physik in Oxford, dann entschied er
sich für ein Studium der Kosmologie in Cambridge. Im Rekordtempo
legte er eine wissenschaftliche Karriere hin, gründete eine Familie.
Nebenbei wurde er eine Art Popstar der Wissenschaft, spielte sich
selbst bei einem Auftritt in einer Folge von «Raumschiff Enterprise»
und wirkte in der Zeichentrickserie «Die Simpsons» mit.
Sein Privatleben war in seiner Heimat immer mal wieder auch für etwas
Klatsch und Tratsch gut. 30 Jahre lang war er mit seiner Jugendliebe
Jane verheiratet, mit ihr hatte er zwei Söhne und eine Tochter. Nach
der Scheidung brachte sie Ende der 90er Jahre ein Buch heraus, in dem
sie ihn als Haustyrannen beschrieb, den sie gelegentlich daran
erinnern musste, dass er nicht Gott sei.
1995 heiratete Hawking seine ehemalige Pflegerin. Die Ehe hielt bis
2006. In einem Interview mit der Zeitschrift «New Scientist» sagte er
auf die Frage, worüber er jeden Tag am meisten nachdenke: «Frauen.
Sie sind ein komplettes Rätsel.»
In seiner Autobiografie kam Hawking zu dem Schluss, dass er trotz
seiner Krankheit ein gutes Leben gehabt habe. «Ich war zweimal
verheiratet und habe drei wundervolle, großartige Kinder.» Als
Forscher sei er sehr erfolgreich gewesen. Dass er den Nobelpreis -
für den es experimenteller Nachweise bedarf - nicht bekam, fand
Hawking zwar schade. Wichtiger war ihm aber der Fundamental Physics
Prize - und den hatte er längst eingeheimst.
An seinem Todestag ging eine letzte Botschaft des Star-Physikers um
die Welt. «Es war eine großartige Zeit, um am Leben zu sein», sagt
Hawking in einem emotionalen Video, das die Universität Cambridge am
Mittwoch ins Internet stellte. «Unser Bild des Universums hat sich in
den letzten 50 Jahren umfassend verändert und ich bin glücklich, wenn
ich einen kleinen Beitrag leisten konnte.»
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