Sexroboter - Hype oder Trend? Von Marco Krefting, dpa
Schmieröl statt Gleitgel, Knattern statt Stöhnen, leerer Akku statt
Migräne: Sexroboter könnten unser Liebesleben gewaltig
revolutionieren. Doch steckt dahinter wirklich ein
technikbegeisterter Trend oder bloß ein hysterischer Hype?
München (dpa) - Elena wird geküsst und gestreichelt. Am Bauch, an den
Brüsten, im Intimbereich. Sie bleibt teilnahmslos liegen, starrt bloß
in eine Richtung. Elena ist ein Sexroboter. Sie kann sprechen, ihre
Emotionen können per App eingestellt werden. Und sie ist ein
Versuchsobjekt: Für die Webserie «Homo Digitalis» hat der Bayerisch
e
Rundfunk (BR) Porno-Darstellerin Schnuggie91 mit Elena - nun, wie
soll man sagen? - schlafen lassen. Eine merkwürdige Erfahrung,
berichtet Schnuggie91 hinterher. Die Haut fühle sich nicht so an wie
bei einem Menschen. «Sie interagiert ja auch gar nicht», sagt der
Pornostar. «Also man ist eigentlich trotzdem dabei ziemlich einsam.»
«Homo Digitalis» ist zugleich eine Zukunftsstudie von BR, Arte, ORF
und dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
(IAO). Die läuft zwar noch bis zum Frühjahr, erste Zwischenergebnisse
haben die Macher aber veröffentlicht: Demnach würde ungefähr jeder
fünfte Deutsche gerne einmal mit einem Sexroboter schlafen. Über die
Hälfte würde es nicht oder nur vielleicht stören, wenn ihr Partner
Sex mit einem Sexroboter hätte. Doch nur rund sechs Prozent könnten
sich vorstellen, sich in einen Roboter zu verlieben. «Das deutet
darauf hin, dass Sexroboter vor allem als Spielzeug und nicht als
Menschen-Ersatz wahrgenommen werden», sagt Kathrin Pollmann vom IAO.
Immer wieder gerne zitiert wird in diesem Zusammenhang David Levy,
Experte für Künstliche Intelligenz, der Sex mit Robotern bis zum Jahr
2050 für gängige Praxis hält. In Barcelona gibt es mittlerweile ein
Bordell mit Sexpuppen, mit denen man(n) laut Anbieter alle seine
Fantasien erfüllen kann - «ohne jegliche Grenzen».
Also ein Trend? Wirtschaftsinformatiker Oliver Bendel, der sich unter
anderem Fragen der Informations- und Maschinenethik widmet, sagt:
«Ich glaube, das bleibt eine Nische.» Er verweist unter anderem auf
den Kaufpreis von rund 10 000 Dollar (etwa 8500 Euro). «Das kauft man
sich nicht einfach auf die Schnelle.» Auch sei das Thema nach wie vor
ein Tabu. «Über Sexspielzeug wird zwar inzwischen offener gesprochen.
Aber Liebeskugeln und Dildos liegen auch nicht überall offen rum. Und
wo verstecke ich einen Sexroboter vor meinem Partner?»
Kognitionswissenschaftler Martin Fischer von der Universität Potsdam,
der im Dezember zu einem internationalen Workshop zum Thema «Roboter
lieben» geladen hatte, sagt: «Das ist keine Science Fiction mehr.»
Absatzzahlen seien zwar kaum zu bekommen - aber es gebe zum Beispiel
eine Firma, die im Jahr rund 400 Sexpuppen verkauft. Manche dieser
Puppen können sich auch bewegen. Davon zu unterscheiden seien
humanoide Roboter, die auf soziale Signale eingehen und selber welche
aussenden können. «Das ist für uns das interessante Feld», sagt der
Professor. So habe eine Studie in den USA gezeigt, dass Menschen auch
bei Robotern unterschiedlich reagieren, wenn sie an deren
Genitalienzone im Vergleich zu anderen Körperteilen fassen.
Hier seien viele Fachgebiete gefragt und könnten von der Forschung
profitieren - etwa auch im Bezug auf Design und ethische Fragen, sagt
Fischer. Nur mangele es bislang an Fördermitteln. Auch sein Team
arbeitet zur Zeit nur mit Fragebögen, bei denen jedoch jeder Befragte
eine eigene Vorstellung davon hat, was ein Sexroboter kann und wie er
aussieht. «Besser wäre es, auch physiologische Reaktionen auf der
Haut messen zu können, wenn Sie in Kontakt mit einem Roboter kommen.»
Auch wenn Sexroboter eine Nische bleiben sollten, wird das Thema in
vielfacher Hinsicht breit diskutiert. Eine «Kampagne gegen
Sexroboter» führt unter anderem an, Frauen und Kinder könnten zu
Lustobjekten degradiert werden. Wissenschaftler Bendel wirft eine
ganze Reihe von Problemen und Fragen auf: So müssten Sexroboter
beispielsweise gründlich geputzt werden, um Krankheiten vorzubeugen.
Und wie menschenähnlich müssen Sexroboter aussehen und klingen? «Bei
Vibratoren geht es hin zu abstrakten Formen, die nicht mehr wie ein
Penis aussehen», sagt er. Denkbar seien auch Gestalten mit vier
Armen. «Die Literatur tobt sich da aus.» Bislang entsprechen die
Sexroboter-Modelle auf dem Markt aber Klischees und Stereotypen -
derzeit meist von Frauen: vollbusig, schlank, mit Wimpernklimpern.
Fischer verweist auf Forschungsergebnisse aus anderen Bereichen:
Demnach ist das Aussehen weniger entscheidend, um einen Roboter als
menschenähnlich zu akzeptieren. «Da reichen schon zwei blinkende
Augen und etwas, das aussieht wie ein Mund.» Für erfolgreiche soziale
Interaktion seien die ausschlaggebenden Komponenten Sprache,
Blickverhalten als Signale und taktile Eigenschaften wie Körperwärme.
Noch heikler ist beispielsweise die Debatte um kindsähnliche Roboter.
Im öffentlichen Raum oder einem Bordell hätten diese nichts verloren,
sagt Bendel. Als begleitete Maßnahme in einer Therapie mit pädophilen
Patienten könnten sie vielleicht hilfreich sein. «Es bräuchte aber
wissenschaftliche Studien, um zu zeigen, welche Effekte im Einzelnen
auftreten.» Sexualtherapeut Ulrich Clement sprach bei «Zeit online»
von zwei konkurrierenden Theorien: «Die eine geht davon aus, dass
Pädophile damit ihre Wünsche umsetzen können und Ruhe finden. Die
andere Theorie geht davon aus, dass die pädophile Tendenz dadurch
noch verstärkt wird.» Unklar sei derzeit, welche Theorie zutrifft.
Diskutiert wird auch die Frage von Vergewaltigungen. Schon das
limitlose Angebot des Sexpuppenbordells wirft sie auf. Bendel
schreibt in einem Beitrag für das Buch «3TH1CS - Die Ethik in der
digitalen Zeit», zu klären sei, ob Sexroboter einen Akt verweigern
können sollen. Der Hersteller des Sexroboters Roxxxy, True Companion,
sah sich gar genötigt, in einem offenen Brief zu betonen:
«Vergewaltigung ist einfach keine Interaktion, die Roxxxy unterstützt
- noch ist es etwas, was unsere Kunden wünschen.» Hintergrund ist,
dass der Roboter eine programmierte Persönlichkeit namens Frigid
Farrah hat, die mitteilt, wenn sie keine Lust hat.
Trotz all der wichtigen Fragen, hilft vermutlich ein entspanntes
Verhältnis. «Wenn Sex mit Robotern irgendwann tatsächlich üblich
wird, ist es nur noch eine Variante unter mehreren, Sex zu haben»,
sagt Clement. Ein Roboter vermittle aber nicht das Gefühl eines
Gegenübers, der auf einen Menschen eingehe und ihn einzigartig finde.
Und er tauge auch nicht als stressfreier Lebenspartner.
«Reibungslosigkeit ist nur als Sehnsucht interessant. Wäre eine
Beziehung völlig reibungslos, würde sie schnell langweilig.»
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