Toilettenpapier im Wandel: Der Trend zum weichen Luxus Von Uta Knapp, dpa

Während der Papierverbrauch in Büros seit Jahren sinkt, boomt das
Geschäft mit Toilettenpapier. Einst ein schnödes Gebrauchsgut, geht
der Trend nun zu immer mehr Lagen - und saisonalen Varianten mit
Spekulatiusduft.

Essen (dpa) - Erst nassfest beim Gebrauch und anschließend
schnellauflösend in der Kanalisation. Modernes Toilettenpapier ist
ein High-Tech-Produkt. Zusatzstoffe sollen für die gewünschten
Eigenschaften sorgen, originelle Drucke und Farben für das angenehme
Ambiente. Hygienepapiere, zu denen auch Küchenrollen, Kosmetiktücher
und Servietten zählen, gehören zu den Verkaufsschlagern der deutschen
Papierindustrie. Während in Büros seit Jahren immer weniger Papier
verbraucht wird, gelten Hygienepapiere neben Versandkartons für den
boomenden Onlinehandel zu den Wachstumsträgern der Branche.

Rund 1,5 Millionen Tonnen Hygienepapier wurden im vergangenen Jahr in
Deutschland produziert, sagt Gregor Andreas Geiger vom Verband
Deutscher Papierfabriken. Im Vergleich zu 2015 war dies ein Plus von
3,4 Prozent. Bereits seit Jahren könne sich die Branche über stetige
Zuwächse freuen, so Geiger. Insgesamt lag die Papierproduktion in
Deutschland im vergangenen Jahr bei 22,6 Millionen Tonnen (plus 0,1
Prozent), gut die Hälfte davon entfiel auf Kartonverpackungen als
mittlerweile wichtigstes Standbein der Branche.

Recyclingpapiere seien dabei unter den Toilettenpapieren leicht
rückläufig, berichtete Geiger. Während recyceltes Toilettenpapier
wegen der gewünschten hellen Farbe meist aus alten Akten hergestellt
werde, sei der Grundstoff für die anderen Sorten meist Zellstoff aus
Eukalyptus-Fasern. Das sorge für weiches Papier. Anbauländer dafür
seien etwa Brasilien, Spanien oder Portugal.

Zunehmend gefragt sind bei Verbrauchern dicke und zugleich weiche
Toilettenpapiere. «Der Trend geht zu mehr Lagen», berichtet
Produktmanager Gerd Scharfenstein vom finnischen Hersteller Metsä
Tissue, der vier eigene Werke in Deutschland betreibt. «Die Deutschen
lieben etwas festeres Papier.»

Seit einigen Jahren hat das Unternehmen auch duftendes
Toilettenpapier im Sortiment. Nach dem Verkaufsschlager Einhorn mit
Zauberduft habe man nun Rentier- und Tannenbaumpapier mit
Spekulatiusduft im Programm. Der Duft werde dabei ausschließlich auf
die Papierhülse aufgetragen, sodass die Haut damit nicht in Berührung
komme, betont Scharfenstein.

Während es überwiegend für private Kunden bereits fünflagige Papier
e
gibt, müssen sich Nutzer von öffentlichen oder Firmentoiletten indes
oft mit zwei Papierlagen zufrieden geben, sagt Jennifer Preuninger
von dem auf Waschraumhygiene spezialisierten Unternehmen CWS BOCO.
Als eine der führenden Firmen der Branche hat es im vergangenen Jahr
in 16 Ländern rund 800 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet.

Dabei kann der gefragte Hygieneartikel erst auf eine relativ kurze
Geschichte zurückblicken, erklärt Historikerin Sabine Schachtner vom
Papiermuseum des Landschaftsverbands Rheinland in Bergisch-Gladbach.
Die Benutzung von Abfall- oder minderwertigen Papieren sei seit dem
16. Jahrhundert belegt. In Deutschland gehörten noch in der
Nachkriegszeit zu handlichen Blättern geschnittenes und gestapeltes
Zeitungspapier zur üblichen Ausstattung.

Spätestens mit dem Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren habe dann
der Siegeszug des Toilettenpapiers begonnen. In Deutschland stehen
laut der Expertin inzwischen mehr als 80 Sorten in den Regalen. Der
jährliche Pro-Kopf-Verbrauch habe kurz nach der Jahrtausendwende
schon bei 46 Rollen gelegen. Damit liege die Bundesrepublik im
internationalen Vergleich im Mittelfeld. «Die Schweden verbrauchen
rund doppelt so viel, die Spanier rund die Hälfte», stellt die
Expertin fest. «In den wohlhabenden Ländern ist der Markt inzwischen
gesättigt und der Verbrauch nicht mehr zu steigern», glaubt
Schachtner.