Im kenianischen Slum ohne Klo: Fliegende Toiletten und Biogas Von Gioia Forster, dpa

Eine Toilette im eigenen Haus zu haben, ist in Deutschland
selbstverständlich. Für Millionen von Kenianern aber nicht. Der
Mangel an Klos ist in den Slums des ostafrikanischen Landes ein
großes Problem - führt aber auch zu innovativen Ideen.

Nairobi (dpa) - Hinten in ihrem kleinen Haus hat Pamela Owino drei
Toiletten. Zwei davon bestehen lediglich aus einer Öffnung im Boden,
eine hat um das Loch herum einen provisorischen Sitz. Die Klos sind
in dem Slum Kibera ein Luxus. «Wir mussten die Toiletten selber
bauen», sagt die 53-jährige Kenianerin, «wegen der Kinder». Owino
meint damit die 38 Kinder, um die sie sich in dem kleinen Waisenhaus
kümmert. Denn die meisten Bewohner des Armenviertels in Kenias
Hauptstadt Nairobi haben keine eigene Toilette und können nur die
wenigen öffentlichen Klos nutzen - die nachts geschlossen werden.

Kibera, der wohl größte städtische Slum Afrikas, ist ein
Paradebeispiel für das Problem mangelnder Toiletten. Etwa die Hälfte
der mehr als zwölf Millionen Kenianer, die in Städten wohnen, leben
laut UN-Kinderhilfswerk Unicef in Slums, «wo die hygienischen
Bedingungen entsetzlich sind». In Armenvierteln leben auf engstem
Raum oftmals Tausende Menschen. Zumindest anfänglich gibt es dort
meist keine formelle Infrastruktur - weder richtige Straßen noch
Stromversorgung, Wasseranschlüsse oder Abwassersysteme.

«Viele Menschen in diesen informellen Siedlungen haben keine sanitäre
Einrichtung», erklärt Andre Dzikus von UN-Habitat. Klos zu
installieren, ist kostspielig, benötigt Platz sowie eine Lösung für
den Abtransport des Abfalls. Nur etwa zehn Prozent der Behausungen in
Kenia haben Landesstatistiken zufolge auch nur eine einfache Toilette
im Gebäude oder auf dem Grundstück. Selbst Schulen haben oft nicht
genug Klos. Im Durchschnitt kommen auf eine Toilette etwa 100
Schüler, heißt es von Unicef. Mangelhafte Toiletten-Hygiene führt vor

allem bei Kindern zu oftmals tödlichen Durchfallerkrankungen.

Kibera war lange für die «fliegenden Toiletten» berüchtigt. Bevor e
s
in dem Armenviertel irgendwelche Klos gab, erleichterten sich die
meisten Menschen in Plastiktüten, knoteten sie zu - und warfen sie
weg. «Man spürte plötzlich, wie etwas den Rücken traf, und dann hat

man bemerkt, dass es eine fliegende Toilette war», erinnert sich
Owino schmunzelnd. Die Tüten lagen in den engen Gassen zwischen den
einfachen Hütten auf dem Boden, in Müllhaufen am Straßenrand oder im

Abfluss.

Inzwischen gibt es in dem Slum laut dem Nairobi City Council mehr als
1000 öffentliche Klos - für eine Bevölkerung von mehreren
Hunderttausend Menschen aber weitaus nicht genug. Eine Nutzung kostet
zudem zwischen rund 5 und 10 kenianischen Schillingen (4 bis 8
Euro-Cent), etwa so viel wie ein Kanister Wasser. Um die Ecke von dem
Waisenhaus steht eine öffentliche Toilette, an die Owino ihre
privaten Klos angeschlossen hat. Stolz zeigt sie die Abwasserrohre,
die sie aus der eigenen Tasche bezahlt hat.

Das Installieren von Toiletten ist ein Problem. «Aber das andere
große Thema ist: Was passiert mit dem Abfall?», sagt Dzikus. In den

Slums gibt es meist kein Abwassersystem. Der Abfall muss also zu
einer naheliegenden Abfallbehandlungsanlage gebracht werden. In
Wirklichkeit entsorgten viele der privaten Transportunternehmen den
Abfall aber einfach in Flüsse oder Kanäle, sagt Dzikus.

Dabei ist das, was in den Toiletten anfällt, wertvoll. Die Exkremente
werden inzwischen etwa vom Netzwerk Umande Trust in Biogas
verwandelt. Die Organisation hat knapp 100 Toilettenanlagen in
kenianischen Slums gebaut, zu der jeweils eine Biogasanlage gehört,
wie eine Mitarbeiterin der Organisation, Benazir Douglas, sagt. Das
gewonnene Gas könne die Gemeinde statt Holzkohle nutzen.

Dazu brauche es aber noch immer großer Überzeugungsarbeit, sagt
Douglas. «Wir haben selbst damit gekocht, um zu zeigen, dass das
Essen danach nicht komisch riecht.» Einige Straßenverkäufer, die zum

Beispiel Maiskolben grillen, hätten Angst, dass sie ihre Kundschaft
vertreiben, wenn sie Biogas zum Kochen verwenden.

Dass mit der menschlichen Notdurft Geld zu machen ist, hat auch die
Privatwirtschaft in die Slums gezogen. Sanergy etwa verwandelt die
Exkremente in Dünger, mit dem kenianischen Bauern ihre Ernte
verbessern können. Dafür verkaufen sie Toiletten in Armenvierteln:
entweder an örtliche Betreiber, die für die Nutzung eine Gebühr
verlangen, oder inzwischen auch an Privatpersonen und Besitzer von
Wohnanlagen, wie Sprecherin Edith Karimi erklärt. Mehr als 1300
Toiletten hätten sie bislang abgesetzt.

Für die Bekämpfung des Toiletten-Problems seien diese Innovationen
extrem positiv, sagt Dzikus. Allerdings seien öffentliche Klos
letztendlich nur eine Zwischenlösung. «Das Ziel ist, die
Lebensbedingungen in den Slums so sehr zu verbessern, dass es keine
Slums mehr sind.» Da hat Kenia noch einen weiten Weg vor sich.