Lilith riecht die Gefahr - Wie Hunde bei Diabetes helfen können Von Birgitta von Gyldenfeldt, dpa

Lilith ist ein Labrador - und Diabeteswarnhund. Im Ernstfall könnte
sie Hilfe für ihr zuckerkrankes Frauchen holen. Warum manche Hunde
ihren Besitzer warnen, wenn dieser in eine Unterzuckerung rutscht,
ist wissenschaftlich nicht geklärt.

Eckernförde/Hamburg (dpa) - «Lilith, such Zucker!» Die braune
Labradorhündin, die eben noch ruhig auf der Einfahrt eines
Einfamilienhauses in Eckernförde lag, springt auf und rennt um die
Ecke. Hier liegen drei schwarze T-Shirts nebeneinander. Die Hündin
schnuppert daran, schnappt sich eines und läuft zu Frauchen Stephanie
Klameth. Lilith ist ein Diabeteswarnhund. Sie hat das Shirt gewählt,
das ein Mensch mit Diabetes in einer Phase der Unterzuckerung trug.

Würde sie Signale einer beginnenden Unterzuckerung bei ihrem Frauchen
ausmachen, liefe sie zu einem kleinen Henkelkörbchen mit einem
zuckerhaltigen Getränk darin und brächte es Klameth. Reagiert diese
nicht mehr, drückt sie mit ihrer Pfote auf einen großen Alarmknopf,
der mit einem Notrufsystem gekoppelt ist.

Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der die
Regulierung des Blutzuckerspiegels gestört ist. Bei rund 300 000
Menschen in Deutschland ist eine angeborene Autoimmunkrankheit (Typ
1) Ursache für die diagnostizierten Fälle. Bei mehr als sechs
Millionen Menschen ist dagegen ein Wechselspiel aus Fehlernährung,
Bewegungsmangel und genetischen Anlagen der Grund für erkannte
Erkrankungen (Typ 2).

Stephanie Klameth hat seit dem zehnten Lebensjahr Diabetes Typ 1. Als
Teenager sei es schwierig gewesen, auch weil die Krankheit ihre
eigentlichen Berufspläne durchkreuzt habe. «Ich wollte zur Polizei,
aber das durfte ich definitiv nicht mit Diabetes», erzählt die
45-Jährige. Sie machte eine Ausbildung zur Krankenschwester und
später ihre Krankheit zum Beruf: Sie wurde Diabetesberaterin, schult
andere Betroffene im Umgang mit der Zuckerkrankheit.

Vor Jahren bildete sie einen ihrer Labrador-Retriever zum
Diabeteswarnhund aus - zunächst für sich selbst. Seit einiger Zeit
trainiert sie Teams von Hunden und Diabetikern. Auch der
Vorstandsvorsitzende der Deutschen Diabetes-Hilfe, Jens Kröger, hat
Patienten, die einen Diabeteswarnhund haben. «Viele Patienten sind
auch begeistert davon», sagt der Mediziner, der in Hamburg gemeinsam
mit Kollegen ein Zentrum für Diabetologie betreibt.

Doch worauf reagieren die Tiere? Es könne gut sein, dass sie nicht
nur den veränderten Geruch bei einer drohenden Unterzuckerung
riechen, sondern auch unbewusste Verhaltensänderungen ihres Besitzers
wahrnehmen, meint Kröger. «Es ist etwas, was wissenschaftlich schwer
zu belegen ist», sagt Klameth. Anscheinend rieche der Schweiß, der
bei einer drohenden Unterzuckerung vermehrt produziert wird, anders
als sonst.

Das macht sich die Ausbilderin zunutze. Betroffene sollen zunächst
Shirts aus der sogenannten Passivphase - Zeiten mit normalen
Zuckerwerten - und solche aus Phasen der Unterzuckerung sammeln. Die
Hunde auf die unterschiedlichen Gerüche zu konditionieren, gehe
relativ schnell. Die eigentliche Arbeit beginne anschließend: Die
Tiere lernen, was sie tun sollen, wenn sie eine drohende
Unterzuckerung riechen. Sie würden vor allem auf diesen Fall
trainiert, weil eine Unter- gefährlicher sei als eine Überzuckerung -
im schlimmsten Fall drohe plötzliche Bewusstlosigkeit.

Bis ein Hund soweit ist, sind nach Erfahrungen von Klameth bis zu
eineinhalb Jahre Ausbildung nötig. Auch danach muss immer wieder mit
dem Tier trainiert werden. Die Ausbildung ist teuer, kostet in
Schleswig-Holstein zwischen 3000 und 10 000 Euro. Die Krankenkassen
zahlen dies in der Regel nicht: Anders als etwa Blindenhunde sind
Diabeteswarnhunde nicht als Hilfsmittel anerkannt.