Kiffen auf Rezept: Cannabis für Schmerzpatienten - Ärger über Gesetz Von Jörn Perske und Frank Rumpenhorst , dpa

Sie rauchen keine Joints für den Rausch, sondern um körperliche
Gebrechen zu dämpfen: Frank-Josef Ackerman nutzt Cannabis als
Heilmittel - wie einige Schmerzpatienten auch. Doch der Hesse ist
einer der wenigen Deutschen, der auch Cannabis anbauen darf - noch.

Rodgau (dpa) - Frank-Josef Ackerman sitzt zu Hause auf dem Sofa dreht
einen Joint. Für ihn ist die mit Cannabisblüten gefüllte Zigarette
aber kein Rauschmittel. Sie dient ihm einzig und allein als
Arzneimittel zum Stillen der Schmerzen, wie er betont. Er zündet die
Tüte an und nimmt tiefe Züge zur Linderung. «Mir hat Cannabis das
Leben gerettet. So lassen sich die körperlichen Beschwerden ertragen
und ich komme einigermaßen geschmeidig durch den Tag», sagt Ackerman
zufrieden.

Der 47-Jährige aus Rodgau südöstlich von Frankfurt/Main ist seit 2008

berufsunfähig und schwerbehindert. Der ehemalige Angestellte des
US-Militärs leidet an Polyarthrose, einer heftigen und unheilbaren
Gelenkerkrankung. Lange Zeit machten dem Schmerzpatienten die
Beschwerden das Leben zur Hölle. «Die Ärzte haben gesagt, dass sie
mir nicht mehr helfen können», erzählt Ackerman. Er habe alle
möglichen konventionellen Medikamente ausprobiert - erfolglos. Und
schlimmer noch: Die Arzneien hätten ihm eher noch zugesetzt.

Doch mit dem Cannabis-Konsum sei das Leben erträglicher geworden. So
raucht er es aus Gesundheitsgründen sieben bis acht Mal pro Tag.
Ackerman baut auch zu Hause mit einigem Aufwand und Know-how seine
eigenen Pflanzen an - und zwar als einer von ganz wenigen Patienten
bundesweit mit Genehmigung der Behörden.

Doch bis dahin war es ein langer Weg. Die Staatsanwaltschaft leitete
ein Strafverfahren gegen ihn ein und ließ seine Cannabispflanzen und
Anbau-Utensilien beschlagnahmen. Dagegen legte er Beschwerde ein.
Erst vor dem Landgericht in Darmstadt, schließlich beim
Bundesverfassungsgericht, das ihm Recht gab. Gleichzeitig stritt er
vor dem Verwaltungsgericht Köln in einem Eilverfahren um die
Genehmigung des Eigenanbaus: hier einigte er sich mit dem Gegner, der
Bundesrepublik Deutschland, die ihm wegen seiner schweren Erkrankung
und der Mittellosigkeit die Anbaugenehmigung gab.

Seit den Siegen in diversen Gerichtsverfahren baut Ackermann wieder
sein eigenes Cannabis an, seit Beginn des Jahres sogar mit einer
offiziellen Anbaugenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM). Die allerdings befristete Erlaubnis läuft am
30. Juni ab. «Und sie wird wohl auch nicht verlängert, weil der Staat
die laufenden Genehmigungen wieder einkassieren möchte», sagt
Ackerman.

Denn am 10. März ist das «Gesetz zur Änderung
betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften» in Kraft
getreten. Es ermöglicht Ärzten, ihren schwer kranken Patienten
Cannabisarzneimittel zu verschreiben. Die Kosten soll die gesetzliche
Krankenversicherung übernehmen. Wie viele Menschen künftig Cannabis
aus der Apotheke bekommen könnten, ist nach Angaben der
Bundesärztekammer noch offen.

Doch Ackerman ist mit der Qualität des staatlichen Cannabis nicht
glücklich: «Auf das Cannabis aus der Apotheke umzusteigen, wäre eine

schlechte Wahl.» Ackerman hat in einem Zimmer seiner Wohnung eine
Plantage aufgebaut. In mannshohen Boxen stehen mehr als ein Dutzend
großer Pflanzen. Wärme und Licht bekommen sie von Speziallampen.
«Bald sind sie erntereif», sagt Ackerman und prüft das Wachstum
seiner Pflanzen. Stecklinge päppelt er in einer separaten Box auf.

Pro Pflanze - in 12 bis 16 Wochen erntereif - gewinnt er rund 70
Gramm, wie er sagt. Und er wirkt recht stolz auf seine gärtnerischen
Fähigkeiten: «Ich habe hier eine besonders gute Qualität, besser als

das Zeug aus der Apotheke», sagt er und streicht über die Pflanzen.
«Alles biologisch sauber angebaut.»

Nichtsdestotrotz hat die Krankheit Ackerman stark zugesetzt. Der
Gelenkverschleiß lässt ihn zuweilen nur langsam durch seine Wohnung
schlurfen. «Ich kann nicht weit laufen. Nach 70 Metern bin ich platt.
Aber dafür kann ich 70 Kilometer Fahrradfahren», sagt er.

In Deutschland ist es bislang rund 1000 Menschen mit einer
Sondergenehmigung des zuständigen Bundesinstituts gestattet, Cannabis
als Medizin zu nehmen - unabhängig vom neuen Gesetz. Eingesetzt
werden kann Cannabis etwa bei organisch bedingter Spastik, bei
Schmerzzuständen, bei Appetitlosigkeit und Abmagerung im Rahmen
fortgeschrittener Aids- und Krebserkrankungen oder bei Nebenwirkungen
der Chemotherapie, wie der Arzt Franjo Grotenhermen aus dem
nordrhein-westfälischen Rüthen sagt. Er betreut Ackerman und viele
Cannabis-Patienten bundesweit und ist Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin.

Grotenhermen ist unglücklich mit dem Gesetz. Denn zu einer
Verbesserung habe es für viele Patienten bislang nicht geführt.
Cannabis aus der Apotheke sei durch das Gesetz viel zu teuer
geworden, etwa 25 Euro pro Gramm. «Das ist für die vielen Patienten
von Bedeutung, die keine Kostenerstattung durch die Krankenkassen
bekommen», erklärte er.

Die hohen Kosten von 25 Euro pro Gramm liegen nach Experten-Ansicht
an Apotheken-Zuschlägen nach der Arzneimittelverordnung. Zudem
müssten Patienten erstmal einen Kassenarzt finden, der ihnen
überhaupt etwas verschreibt. Dann müsse die erste Verordnung für
jeden Patienten von den Kassen genehmigt werden, was oft genug
verweigert werde. «Aufgrund der Ablehnung der Kostenübernahme der
Krankenkassen laufen bereits mehrere Verfahren vor den
Sozialgerichten», sagte Grotenhermen.

Ärzten droht zudem wegen der hohen Kosten für Cannabis ein Regress
wegen Überschreitung ihres Budgets. Insgesamt sei der
Verwaltungsaufwand für die Ärzte mit Cannabis-Patienten groß, sagt
Grotenhermen. «Da muss die Politik nachbessern», erklärt er.

Fachanwalt Oliver Tolmein (Hamburg) sieht das Problem bei den
Krankenkassen. «Das Gesetz regelt, dass sie die Cannabis-Verordnung
auf Rezept in der Regel genehmigen sollen und nur in begründeten
Ausnahmefällen nicht - derzeit ist leider das Gegenteil der Fall: in
der Regel wird nicht genehmigt, nur ausnahmsweise doch.»

Hinzu kommt laut Tolmein: «Das medizinische Cannabis muss bis auf
weiteres importiert werden, Apotheken haben leider immer wieder
Lieferengpässe. Für die Patienten ein unhaltbarer Zustand. Sie sind
auf ihr Medikament angewiesen.» Auch Schmerzpatient und
Cannabis-Produzent Ackerman sagt: «Ich kann das nicht beenden. Sonst
gehe ich kaputt.»