«Man wird mobiler» - Smartphone als Segen für Blinde Von Christina Sticht, dpa

Inzwischen gibt es mehr als hundert Apps, die Menschen mit einer
Sehbehinderung den Alltag erleichtern. Allerdings sind noch nicht
alle Geräte barrierefrei, kritisiert Thomas Kahlisch,
Präsidiumsmitglied im Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband.

Berlin/Hannover (dpa) - Blinde und stark sehbehinderte Menschen
können nach Feierabend nicht einfach ins Auto springen, wenn die
Milch im Kühlschrank ausgegangen ist. Shopping war für Thomas
Kahlisch früher kaum ohne Begleitung eines Sehenden möglich. Der
54-Jährige aus Leipzig ist seit seinem 14. Lebensjahr blind. Doch
seit kurzem sind Spontankäufe kein Problem mehr. Dafür nutzt er die
App der Supermarktkette Rewe, sucht die Lebensmittel bequem zu Hause
auf dem Sofa aus und lässt sie nach Hause liefern. Das Smartphone ist
für Kahlisch ein unverzichtbarer Begleiter - «mein digitales
Schweizer Taschenmesser», wie er im Vorfeld des Sehbehindertentages
am 6. Juni sagt.

Der Informatiker ist ein vielbeschäftigter Mann - als Leiter der
Deutschen Zentralbibliothek für Blinde zu Leipzig sowie ehrenamtlich
als Präsidiumsmitglied des Deutschen Blinden- und
Sehbehindertenverbandes (DBSV). Während einer Tagung im
Landesbildungszentrum für Blinde in Hannover checkt er in
Sitzungspausen seine E-Mails. Dies geht dank der für Nicht-Sehende
revolutionären VoiceOver-Technologie in Sekundenschnelle. Eine
weibliche Stimme liest die E-Mails vor, und Kahlisch befiehlt teils
schon bei den ersten Worten der Betreff-Zeile: «Löschen!»

Die integrierte Sprach-Funktion in Smartphones und Tablets
erleichtere den Alltag ungemein, meint der Honorarprofessor an der
Universität Leipzig. «Man wird mobiler, traut sich mehr zu und wird
eigenständiger.» Gleichzeitig betont Kahlisch: «Ohne weißen Stock b
in
ich verloren.» So könnten Navigations-Apps ihm zwar sagen, in welcher
Straße vor welcher Hausnummer er steht, aber nicht, ob sich dort ein
Laternenpfahl oder eine schlecht gesicherte Baustelle befindet.

Inzwischen gibt es mehr als hundert Apps, die blinden und
sehbehinderten Menschen helfen. Niemand muss mehr große Lupen oder
Bildschirmlesegeräte mit sich herumschleppen. «Ich hätte früher nic
ht
geglaubt, dass ein Blinder einen Touchscreen bedienen kann», sagt
Franz Rebele, der noch etwa fünf Prozent Sehleistung hat. Der
77-Jährige macht in Berlin sehbehinderte Senioren in Kursen für die
digitale Welt fit. Häufig nutzt Rebele die App «KNFB Reader», die
gedruckte Texte in Sprachausgaben umwandelt - etwa, wenn er in einem
schlecht beleuchteten Restaurant die Speisekarte oder in einer
Bibliothek eine Informationstafel lesen möchte.

Während in der Vergangenheit nur wenige Bücher in Brailleschrift für

Blinde zugänglich waren, können Romane und Sachbücher jetzt von einem

E-Reader vorgelesen werden. «Bei vielen digitalen Anwendungen gibt es
allerdings noch Entwicklungsbedarf», sagt Kahlisch. «Den
E-Book-Reader hätten wir gerne barrierefrei.» Derzeit lasse sich zwar
die Schrift des Buches, aber nicht die Menüleiste beliebig
vergrößern.

Am diesjährigen Sehbehindertentag steht zudem das Thema
«Hörfilmempfang» im Mittelpunkt. Die öffentlich-rechtlichen
Fernsehsender bieten inzwischen bei vielen Filmen zusätzliche
Beschreibungen von Gestik, Mimik oder Ausstattung für Blinde und
Sehbehinderte an. Dies genügt nicht, meint Kahlisch: «Der DBSV
wünscht sich, dass sich die Verkaufsberater in Elektromärkten und
Fachgeschäften besser in das Thema einarbeiten und den Kunden bei der
Einrichtung der Audiodeskription helfen.»

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