Nach Mord an Freier - Haft und Psychiatrie für Prostituierte Von Karen Katzke, dpa

Es soll ein Sexspiel sein, doch für ihren Freier endet es tödlich.
Die Prostituierte sticht mit einem Messer auf ihn ein, der Mann
verblutet. Das Kieler Landgericht hat sie nun verurteilt.

Kiel (dpa) - Ihr Freier hatte auf ein Sexspiel gehofft. Am Ende aber
brach der Mann aus Bad Segeberg sterbend im Flur seiner
Penthousewohnung zusammen - erstochen von der Prostituierten. Das
Kieler Landgericht wertete die Tat am Freitag als heimtückischen
Mord. Es verurteilte die 28-Jährige zu siebeneinhalb Jahren Haft und
Unterbringung in der Psychiatrie.

«Mord bedeutet eigentlich lebenslange Haft ohne Wenn und Aber», sagte
der Vorsitzende Richter Jörg Brommann in seiner Urteilsbegründung.
Angesichts der schweren Borderline-Störung der Angeklagten habe die
Kammer aber bei der Strafzumessung eine verminderte Schuldfähigkeit
zugrunde gelegt. Die psychische Erkrankung sei der Nährboden für die
Tat gewesen und habe die Steuerungsfähigkeit der Frau eingeschränkt.

Nach Überzeugung des Gerichts, hat die Frau am 12. Oktober 2016 in
Wohnung des Mannes in Bad Segeberg zweimal auf ihn eingestochen. Der
58-Jährige wehrt zwar weitere Stiche ab und ruft noch die Polizei.
Doch er bricht sterbend zusammen, als er den Beamten die Tür öffnen
will. Im Krankenhaus stellen Ärzte trotz Not-Operation nur noch
seinen Tod fest. Er ist verblutet. Die Beamten überwältigen die
Angeklagte in der Küche.

Die 28-Jährige und ihr Opfer lernten sich im Internet kennen - über
ihre Anzeige als «Sexy-Betty», die noch immer online zu finden ist.
Mindestens acht Mal treffen sich beide vor dem tödlichen Verbrechen
bei ihm zum Sex, zu leichten SM-Praktiken, wie der Vorsitzende
feststellt. Sie schickt ihm intime Fotos, nennt ihn Gentleman.

Als es am Tatabend zur Messerattacke kommt, liegt er auf dem Bett.
Sie hatten  getrunken, er lässt sich, anders als sonst, die Hände mit

einer Krawatte fesseln und die Augen verbinden. Was dann geschieht,
versucht das Gericht zu rekonstruieren. Die Angeklagte selbst schwieg
im Prozess. Dass sie zustach, bestreitet sie aber nicht. Ihre
bruchstückhaften Versionen der Tatabläufe glaubt das Gericht nicht.

Vor dem Verbrechen, so der Vorsitzende, schickt sie noch einem Freund
per WhatsApp die Nachricht: «Bin bei dem alten Sack. Würde ihn gern
umlegen.» Wenige Minuten später sendet sie ein Selfie mit einem
Küchenmesser an der Zungenspitze und einer Zigarette in der Hand. Zu
diesem Zeitpunkt ist das Messer noch unbefleckt, sagt Richter
Brommann, ihre Nachrichten sind mit Emojis verziert.

Ihr Freund hält die Nachrichten für Spinnkram. Doch es wird blutiger
Ernst. Sie sticht 13 Zentimeter tief in den Oberbauch ihres Opfers,
Organe werden verletzt, die Milzarterie durchtrennt. Das
Notruf-Protokoll und die Aussagen der eintreffenden Polizisten
belegen, dass der Mann immer schwächer wird, bevor er schließlich,
blutend, nackt und kreidebleich vor den Beamten in der Tür
zusammenbricht.

Das Tatmotiv ist unklar. «Sie ist eine schwerkranke Frau, die
dringend der Behandlung bedarf», sagt Bromman. Ihre Lebensgeschichte
zeige «ein Zugrunderichten der eigenen Person». Lange vor der Tat
wechseln sich Autoaggressionen, Suizidversuche und 
Selbstverletzungen ab, wie der Richter sagt. Unter Alkohol kommt es
dann immer wieder zu Gewaltausbrüchen gegen Partner und Freier.
Mehrfach steht die Polizei in der Tür, wiederholt landet sie in der
Psychiatrie. Therapieren lassen will sich die Angeklagte aber
offenbar auch jetzt noch nicht.

Nach Angaben ihres Verteidigers Kai Dupré übersieht die 28-Jährige
noch nicht die ganze Tragweite des Urteils. Noch ist offen, ob er
Revision einlegt. Er hatte wegen gefährlicher Körperverletzung eine
Haftstrafe von unter fünf Jahren gefordert. Staatsanwältin Barbara
Westermeyer plädierte auf neuneinhalb Jahre. Auch sie sah verminderte
Schuldfähigkeit und forderte die Unterbringung in der Psychiatrie.